Thüringer Polizist soll Neonazi-Szene gewarnt haben
Neue Akten bringen die Behörden in Thüringen in Erklärungsnot. Ein Polizist steht im Verdacht, Ende der 90er-Jahre Dienstgeheimnisse an einen Rechtsextremisten aus dem Umfeld des späteren NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) verraten zu haben.

Der Polizist soll einen Rechtsextremisten des Thüringer Heimatschutzes vor polizeilichen Maßnahmen gewarnt haben. Foto: Martin Schutt/Symbolbild
«Uns liegen Geheimakten des Landesamtes für Verfassungsschutz vor, in denen zwei unabhängige Quellen den Mann belasten», sagte die Innenexpertin der Thüringer Linksfraktion, Martina Renner, am Samstag auf dpa-Anfrage.
Der Vorwurf sei schon länger bekannt, die Akten lägen jedoch erst seit wenigen Tagen vor, sagte Renner, die auch im Thüringer NSU-Untersuchungsausschuss sitzt. Der Thüringer Verfassungsschutz hatte in der vergangenen Woche erklärt, die Vorwürfe gegen den Mann seien noch einmal geprüft worden, ohne dass sich Verdachtsmomente ergeben hätten.
Laut Renner belegen die Akten, dass je ein V-Mann des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) unabhängig voneinander einen Thüringer Polizeibeamten als Sympathisanten der Neonazi-Szene einstuften. Er soll den Hinweisen zufolge mehrmals einen Rechtsextremisten des Thüringer Heimatschutzes vor Polizeiaktionen gewarnt haben. Der Gruppe gehörten auch die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe an. Über den Fall berichteten auch «Die Welt» und die «Süddeutsche Zeitung» (Samstag) sowie der «Spiegel».
In den Akten finde sich jedoch kein Hinweis darauf, ob und wie die Thüringer Behörden den Hinweisen nachgegangen seien, sagte Renner der dpa. «Wir wollen im Untersuchungsausschuss so schnell wie möglich klären, ob das Landesamt die Hinweise an den Dienstherren, also das Innenministerium, weitergegeben hat.» Entscheidend sei zu erfahren, wer die Vorwürfe wie geprüft habe. Erst dann sei einzuschätzen, ob der Verdacht so viele Jahre später noch zweifelsfrei bestätigt werden könne.
Nach einem «Spiegel»-Bericht hat das Thüringer Innenministerium eingeräumt, dass der verdächtigte Polizist seit September 2010 für den Verfassungsschutz als V-Mann-Führer in der Szene gearbeitet habe. Nach dem Auffliegen des NSU sei er aus der Behörde versetzt worden. «Diese Tatsache ist zumindest irritierend», sagte die Linke-Politikerin Renner. «Wenn es eine Überprüfung des Mannes gab und sie negativ war, warum wurde er dann in den Basisdienst der Erfurter Polizei degradiert?» Das Thüringer Innenministerium war für eine Stellungnahme dazu am Samstag zunächst nicht zu erreichen.
Auch der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), forderte von den Behörden in Thüringen Aufklärung. Ihm sei rätselhaft, was die Behörden seinerzeit gemacht hätten, als sie die Hinweise auf den Polizisten bekommen hätten, sagte er dem Sender NDR Info. Sie hätten ihm lediglich mitgeteilt, was sie nach dem Auffliegen des Terrortrios unternommen haben. «Das geht so nicht.» Es gebe auch noch viele andere offene Fragen und Hinweise auf Pannen in Thüringen. «Da tun sich Abgründe auf. Die habe ich nicht für möglich gehalten», sagte Edathy.
Spiegel-Bericht
Mitteilung des Verfassungsschutzes