
© Julia Gaß
Theater Dortmund im Krisenmodus - eigenes Buch erzählt die Geschichten von 2020
Kultur in Corona-Zeiten
Vor einem Jahr gingen in den Kultureinrichtungen die Lichter aus. Das Theater Dortmund hat das Corona-Jahr 2020 in einem bemerkenswerten Buch mit vielen Perspektiven dokumentiert.
Einen Stillstand, wie wir ihn zurzeit erleben, hat es zuletzt 1944 / 45 gegeben. Das Buch „Oper 2020“ ist das erste Buch, das die Situation in der Pandemie in einem Theater in Deutschland beschreibt. Entstanden ist es in einer Kooperation zwischen der Oper Dortmund und dem Forschungsinstitut für Musiktheater der Uni Bayreuth. Zu den vier Herausgebern gehört der Dortmunder Opernintendant Heribert Germeshausen.
Das Musiktheater ist der Kulturbereich, der unter der Corona-Pandemie besonders leidet: Opernchöre dürfen nicht auftreten, Sängersolisten müssen sich auf ungewohnte Situationen mit viel Abstand einstellen. Und auch große Orchesterbesetzungen, wie sie viele Opern fordern, sind nicht mit den Corona-Regeln vereinbar.
„Es herrschte großer Teamgeist“
Das Buch dokumentiert auf 200 Seiten das erste Krisenjahr, das in die Kulturgeschichte eingehen wird. – ebenso wie wohl 2021. Die tabellarische „Chronologie der Krise“ zu Beginn ist auch eine Dokumentation von Umplanungen, Spielplan-Neudispositionen und immer wieder neuen Änderungen und Anpassungen, die alle Theater mit viel Kreativität gemeistert haben.
So hat die Theater-Schneiderei im ersten Lockdown Masken genäht, die Tischlerei hat Spuckschutzwände gebaut. Die Stimmung, die im Theater in der Zeit des Stillstands geherrscht hat, haben die Autoren in vielen Gesprächen eingefangen. „Es herrschte ein großer Teamgeist. Der Wille war da, etwas bewirken zu wollen“, sagt Germeshausen.
Maskennähen und Konzerte vor Seniorenheimen
Der Dortmunder Kulturdezernent Jörg Stüdemann erklärt in einem Interview in dem Buch später, dass es wirtschaftlich für die Stadt gewesen sei, die Theater-Mitarbeiter nicht in Kurzarbeit zu schicken, weil Maskennähen und die Konzerte vor Seniorenheimen wichtig und wertvoll gewesen seien.
INFOS ZUM BUCH
- Merle Fahrholz, Heribert Germeshausen, Ulrike Hartung und Anno Mungen: Oper 2020. Eine Dokumentation aus der Oper Dortmund.
- Königshausen und Neumann, 200 Seiten, 22 Euro.
- ISBN: 978-382 60 72 00-0.
Auch Streaming wird in dem Buch angerissen. „Aber das müssen die Regisseure von Anfang an mitdenken“, erklärt Germeshausen, warum er abgefilmte Aufführungen nicht so sehr liebt.
Mehr Zusammenhalt
Herzstück der Dokumentation ist die Geisterpremiere von Daniel-François-Esprit Aubers Oper „Die Stumme von Portici“. Am 13. März fand diese erste und wahrscheinlich auch letzte Vorstellung der Produktion vor 25 Journalisten im Dortmunder Opernhaus statt. Die Journalisten und Sänger wurden in Interviews um ihre Einschätzung gebeten.
Alle beschreiben die Atmosphäre dieser Geisterpremiere eher als die einer „Generalprobe 2“. Aber die Sänger betonen „So eine Geisterpremiere ist sinnvoll – als Abschluss eines künstlerischen Prozesses. Die Stücke kann man danach einfrieren und später wieder auftauen“.
Mit Abstand Regie führen
Ein Gespräch mit Nikolaus Habjan, der in Dortmund „Carmen“ inszenieren sollten, dann aber „Die Entführung aus dem Serail“ mit Puppen herausgebracht hat, gibt es in dem Buch, und auch ein Interview mit Kapellmeister Christoph Müller. Musical-Regisseur Gil Mehmert, der statt „Cabaret“ „Songs For A New World“ inszeniert hat, erzählt, wie man mit Abstand Regie führen kann und dass die Krise auch Chancen für Neuentdeckungen bietet.
Sehr spannend ist dieses Buch und eine Dokumentation, die Kulturfreunde sicher auch in 20, 30 Jahren interessiert lesen werden. Und das Buch erzählt auch vom Zusammenhalt, der Sehnsucht nach dem Live-Erlebnis und der Wertschätzung von Kultur – alles ist in dem einen Jahr des Stillstands größer geworden.
Begleitet und beobachtet seit 35 Jahren für die Zeitung das Kulturleben in Dortmund und in der Region.
