
© Takashi Seida / Paramount Pictures
Andra Day verkörpert Billie Holiday stolz und schön
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Der Film „The United States vs. Billie Holiday“ erzählt aus dem Leben einer Jazz-Legende. Biografie und Rassismus-Studie gehen Hand in Hand in diesem sehenswerten Drama nach Tatsachen.
Ihre Kindheit im Hurenhaus, der Ruhm als Sängerin, ihre Sucht und Billie Holidays früher Tod mit 44 Jahren ergeben den tragischen Stoff, aus dem Legenden sind. In diesen Tagen erscheint ein Film (nicht im Kino, aber zu leihen und zu kaufen), der die Jazz-Diva in ein neues Licht rückt: „The United States vs. Billie Holiday“ beleuchtet, wie das FBI einen perfiden Krieg gegen Holiday (großartig: Andra Day) führte.
Hoovers Leute schleusten Spitzel in ihr Umfeld ein, schoben ihr Drogen unter, um sie für ein Jahr hinter Gitter zu schicken. Man wollte sie zermürben und zerstören. Warum? Weil sie dieses Lied im Repertoire hatte, „Strange Fruit“, eine poetische Trauerballade über die Opfer weißer Lynchjustiz, die wie seltsame Früchte in den Bäumen hängen. Bis heute ist es Billies „signature song“, ein erschütterndes Klagelied über Brutalität und Rassismus, das Amerikas hässlichste Fratze zum Thema hat.
Im Zugriff von Regisseur Lee Daniels und seiner Autorin Suzan-Lori Parks bildet „Strange Fruit“ das zentrale Puzzleteil in der Beweisführung, dass Billie Holiday eine Vorkämpferin der Bürgerrechtsbewegung war.
Farbige Galionsfigur
Der Film macht sie zur afroamerikanischen Galionsfigur, stolz, schön und mutig. Das FBI und ihr (weißer) Manager wollen nicht, dass sie das Lied vor Publikum singt? Billie pfeift darauf, stimmt die ersten Zeilen an – und wird auf offener Bühne von der Polizei abgeführt. Uniformierte Staatsdiener werden einer Farbigen gegenüber handgreiflich. „The United States vs. Billie Holiday“ zieht eine Linie von damals zu den Polizei-Exzessen von heute, trifft also genau Nerv und Anliegen der „Black Lives Matter“-Bewegung.
Manchmal neigt die Inszenierung zu plakativer Überdeutlichkeit, jedenfalls macht sie kein Hehl daraus, dass sie eine kämpferische und aufklärerische Agenda verfolgt. Auch was ihr Männerbild betrifft. Billie war berüchtigt, sich ein ums andere Mal mit den falschen Kerlen einzulassen. Die schlugen sie, strichen ihre Honorare ein, wollten sie klein halten. Man könnte glauben, sie habe eine masochistische Ader, weil sie es trotzdem aushielt mit den Macho-Taugenichtsen.
Nicht erfunden, aber womöglich aufgewertet, hat der Film den farbigen FBI-Agenten Jimmy Fletcher (Trevante Rhodes), der Billie erst ausspioniert und ans Messer liefert, bevor er sich in sie verliebt. Seine Gefühle werden durchaus erwidert, aber Billie zeigt Fracksausen und Bindungsangst und trennt sich von Fletcher.
Höchste Zeit, über die fabelhafte Andra Day zu reden. Gleich in ihrer ersten Filmrolle für den Oscar nominiert zu sein, ist grandios, ob sie ihn bekommt oder nicht. Die 26-Jährige ist in vieler Hinsicht eine perfekte Besetzung. Bisher hat sie als R & B und Soul-Sängerin von sich reden gemacht, am Mikro auf einer Bühne scheint sie sich auch im Film absolut wohl zu fühlen.
Dicht am Originalgesang
Und wie sie singt: Das hauchzart verschleppte Tempo und ihre Phrasierung schmiegen sich dicht an Holidays Originale, das hat Seele und Tiefe. Dass Andra Day eine Schönheit ist, kommt ihr natürlich zugute. Einer diese Fälle, wo man sagen darf, die Kamera liebe die Darstellerin!
Day überzeugt auch in dunklen Momenten, verhärmt und verbittert. Ein tolles Debüt in einem sehenswerten Film, halb Biografie, halb amerikanische Chronik.