"The Cut" sorgt für stummes Entsetzen
Neu im Kino
In der Zeit des Ersten Weltkriegs werden die im Osmanischen Reich lebenden Armenier Opfer eines Genozids. Die Zahl der Ermordeten schwankt nach Schätzungen zwischen 300 000 und 1,5 Millionen. Dieser Völkermord wird bis heute von den türkischen Regierungen geleugnet.

Nachdem sie ihren Zweck als Arbeitssklaven erfüllt haben, sollen der Armenier Nazaret (Tahar Rahim, Mi.) und seine christlichen Glaubensbrüder von türkischen Soldaten abgeschlachtet werden.
Ausgangspunkt ist der kleine Ort Mardin im Südosten der Türkei. Dort werden 1915 der armenische Schmied Nazaret und viele andere seiner christlichen Glaubensbrüder von Soldaten zum Straßenbau in ein Straflager überführt, ihre Familien später in Todeslagern umgebracht. Nach dem Massaker an seinen Mitgefangenen gelingt Nazaret die Flucht, allerdings kann er nach einem tiefen Messerstich in den Hals nicht mehr sprechen. Mit stummem Entsetzen erfährt er, dass auch seine Frau unter den Toten ist. Seine Zwillingstöchter haben die Gräuel des Genozids jedoch überlebt.
Nazaret macht sich auf die Suche nach seinen Kindern. Zunächst in Aleppo und im Libanon, dann in Havanna, schließlich in North Dakota. Die jahrelange Odyssee eines Menschen, der unterwegs zwar seinen Glauben verliert, aber nie seine Hoffnung. Religiöser Fanatismus und Rassismus, die Mord und Vertreibung mit sich bringen – wie bekannt sind einem die Motive und Bilder dieses Films – und wie schrecklich aktuell sind sie. Dabei blendet Fatih Akin den wahren Horror von Verbrechen an der Menschlichkeit aus. Er will nicht entsetzen, sondern berühren, nicht blockieren, sondern Anteilnahme erwecken, nicht verurteilen, sondern aufklären und mahnen. Mit den Mitteln des Kinos. Die definiert Akin anhand einiger Szenen aus dem Chaplin-Stummfilm „The Kid“, der den Menschen in Aleppo unter freiem Himmel gezeigt wird: Kino als magischer Gemeinschaftsraum für die großen Gefühle – vom lauthalsen Lachen bis zum versteckten Weinen. Bei „The Cut“ beginnt die Zeit des Nachdenkens allerdings schon beim ersten Schritt hinaus aus dem Kinosaal. Herausragend.