
Ist der von der Gewerkschaft Verdi ausgerufene Streik des Bodenpersonals an Flughäfen gerechtfertigt oder nicht? Wir dokumentieren Reaktionen, die uns zu einem kritischen Kommentar erreicht haben. © picture alliance/dpa
Reaktionen auf Streik-Kommentar: „Geht’s noch? Verdi erpresst niemanden“
Meinung
Ist es gerechtfertigt, dass Verdi mitten in der Hauptreisezeit die Flughäfen bestreikt? Die Meinungen gehen weit auseinander. Wir dokumentieren Reaktionen auf einen kritischen Kommentar.
In seinem Kommentar „Gewerkschaft Verdi erpresst mit Streik die Lufthansa und bestraft die Urlauber“ hat Ulrich Breulmann den Streikaufruf von Verdi für das Bodenpersonal an Flughäfen heftig kritisiert. Zudem hatten wir Leserinnen und Leser aufgefordert, uns ihre Meinung zu diesem Thema zu schicken.
Es gab zahleiche Zuschriften, sowohl per Mail als auch über Facebook. An dieser Stelle dokumentieren wir in so gut es geht repräsentativen Ausschnitten die Diskussion.
Sandra Spitzner schreibt über Facebook: „Geht’s noch? Verdi erpresst niemanden. Als Gewerkschaft tut sie das, was man von ihr erwartet: Einsatz für Arbeitnehmenden-Rechte! Wenn hier jemand an den Pranger gehört, dann sind es Fluglinien, die eine Masse an Flügen anbieten und an Urlauber verkaufen, obwohl sie wissen (und das seit Monaten), dass sie nicht über ausreichend Personal verfügen und viel zu wenig getan haben, um diesen Missstand zu beheben.“
Bernd Nebel schreibt per Mail:
„Es kann nicht sein, dass über 100.000 Passagiere ihren Flug nicht planmäßig antreten können. Das ist in meinen Augen Nötigung und Erpressung. Bei den vielen Steuerzahlern, die vor zwei Jahren die Lufthansa vor der Insolvenz bewahrt haben, bedankt man sich jetzt mit einer völlig überzogenen Gehaltserhöhung von 9,5 Prozent.
Dies halte ich für kriminell, man sollte die Verantwortlichen Gewerkschaftsführer in Verantwortung nehmen und sofort in Untersuchungshaft nehmen. Nötigung wird im Straßenverkehr bestraft. Die Politik ist hier gefordert.“
Holger Blumstengel schreibt ebenfalls per E-Mail:
„Ich muss Ihrer Auffassung widersprechen. Leider hat die Arbeitgeberin Lufthansa herzlich wenig unternommen für ihre Mitarbeiter*innen in Bezug auf Arbeitnehmerrechte. Das Chaos an den Flughäfen hätte vermieden werden können durch eine bessere Personalplanung.
Leider hat Lufthansa es nicht geschafft, für ihre Arbeitnehmer*innen für bessere Arbeitsverhältnisse und eine gerechte Entlohnung zu sorgen. Es ist auch dem Konzern schon im Winter klar gewesen, dass im Sommer das Reisebedürfnis höher ausfällt. Somit wäre da bereits eine bessere Planung ein must to do seitens der Arbeitgeber*innenseite notwendig gewesen.
Weiterhin wäre es bitter nötig in Anbetracht des Klimaschutzes für die Reiseweltmeister Deutschland, den Flugurlaub per Gesetz zu begrenzen. Somit können wir dann den CO2-Ausstoß reduzieren und vielleicht doch noch das 1,5-Grad-Ziel erreichen.“
Sandra Simone Trobisch schreibt auf Facebook:
„Es ist wunderbar, dass Menschen streiken dürfen, und es ist traurig zu sehen, dass ein Arbeitgeber erst, wenn es schon viele Millionen gekostet hat, Bereitschaft signalisiert für Verhandlungen und Abschlüsse auf Augenhöhe.
Ja, ich bin davon auch betroffen, es wurde fairer Weise frühzeitig informiert, so dass man umplanen konnte. Einfach einmal auf die Verdi-Seite gehen oder einmal selbst Verantwortung übernehmen. Jeder schreit nach Service und keiner ist mehr bereit, dafür zu bezahlen, geschweige denn von sich aus, auch einfach einmal freundlich zu sein und die Regeln zu beachten.
Das fängt beim Trinkgeld in der Gastronomie an und hört in einer Warteschlange vor „was auch immer“ nicht auf. Es wird gemault, beschimpft und seine Laune an anderen raus gelassen. Ich bin mir sicher, das macht keiner auf Dauer mit.“
Helmut Mertens schreibt per Mail:
„Habe Sonntagabend, Abflug 18.10, -–NUR-- zwei Stunden vom Einchecken bis zum Gate gebraucht. Streik ist immer Erpressung. Gesetzlich geregelte Erpressung.
Das Perfide ist die Zusammensatzung des Aufsichtsrates und Vorstands in diesem Zusammenhang. Veröffentlichen doch Sie diese Namen mit Parteizugehörigkeit und Vita, ach geht ja nicht, Datenschutz
Ein einfaches Ja zu den Forderungen von Verdi und alle Kunden und Personal wären happy. (Zynismus off)“
Manuela Meyer schreibt auf Facebook:
„Sinn eines Streiks ist es... genau zur besten Zeit die Arbeit niederzulegen.“
Auf diesen Kommentar antwortet Christoph Brachthäuser:
„Manuela Meyer, eigentlich sollte es im Interesse des Arbeitnehmers sein, dass das Unternehmen, in dem man arbeitet, weiterhin bestehen bleibt.“
Ralf Kesper meint auf Facebook kurz und knapp:
„Streiken macht nur Sinn, wenn es meisten weh tut.“
Heiner Hofmann schreibt auf Facebook:
„Dass Reisende / Urlauber von den Gewerkschaften als Druckmittel genutzt werden, ist ja nun nichts Neues. Das gab es früher auch schon. Die Begleitumstände sind heuer anders (Corona-Pandemie, Ukrainekrieg).
Die Gewerkschaften erzählen immer, dass sie es bedauern und dass der Zeitpunkt zwar unglücklich, aber alternativlos sei...
Dabei weiß doch jeder, dass Reisende/Urlauber als „Verhandlungsmasse“ genutzt werden.
Währenddessen jettet der Gewerkschaftsboss selbst in die Ferien – da weiß man doch Bescheid – versucht aber trotzdem, die Öffentlichkeit für dumm zu verkaufen.“
Ebenfalls auf Facebook schreibt Bernd Mertens:
„Desto mehr man fordert, desto höher die Gewinne der Verdi-Vorstände, die auch ihre Parteibücher haben, erst mal nur an ihre vollen Taschen denken.“
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
