Speer-Gold-Erbin Linda Stahl: «Extra-Kick»

40 Minuten nach Mitternacht war die erfolgreichste deutsche Speerwurf-Familie endlich glücklich vereint: Als Gold-Girl Linda Stahl wie ein Gummiball zum Kurz-Interview auf die Bühne sprang, brandete im deutschen EM-Club auf dem Montjuic tosender Beifall auf.

Barcelona (dpa)

von Von Ralf Jarkowski, dpa

, 30.07.2010, 11:43 Uhr / Lesedauer: 2 min

Linda Stahl freut sich über das EM-Gold im Speerwerfen.

Linda Stahl freut sich über das EM-Gold im Speerwerfen.

Hoch über den Dächern Barcelonas ließen die Fans die neue Europameisterin noch einmal hochleben. Teamkollegin Christina Obergföll freute sich endlich auch über Silber, und Erfolgscoach Helge Zöllkau wandelte auf der Jubel-Party stolz und bescheiden als stiller Genießer.

Und natürlich war auch Steffi Nerius da. Zöllkau hatte die deutsche «Speerspitze» 2006 zur Europa- und 2009 zur Weltmeisterin gemacht, nun stand wieder eine Werferin aus der Hochburg Leverkusen auf dem Podest. «Ein super Ding von Linda! Ich habe mich so gefreut, dass der Titel in Leverkusen bleibt», meinte die 38-Jährige, die ihre Karriere im Vorjahr nach der Berliner Heim-WM beendet hatte. «Danach hatte ich schon das Gefühl, dass mein Rücktritt auf die Mädels irgendwie befreiend wirkt: Endlich steht die Steffi nicht mehr im Weg», meinte Nerius lachend und klopfte Zöllkau auf die Schulter: «Helge ist ein super Trainer. Da kann ich nur sagen: Respekt.»

«Das war einfach Wahnsinn heute, ich habe einen getroffen, von dem ich wahrscheinlich noch nicht einmal geträumt habe», sagte Stahl nach ihrem größten Sieg. Bei der wichtigsten Operation des Jahres hatte die Medizinstudentin die gesamte europäische Speerwurf-Konkurrenz gründlich «verarztet». Auf den Punkt genau topfit, übertraf die 24- Jährige zum Saisonhöhepunkt ihre persönliche Bestleistung um 75 Zentimeter.

66,81 Meter reichten schließlich für die siebte Goldmedaille einer deutschen Speerwerferin bei Leichtathletik-Europameisterschaften. Um das Erbe von Steffi Nerius muss sich nun niemand Sorgen machen. «Ich glaube, dass wir den Trumpf haben, in Deutschland immer wieder gute Speerwerferinnen zu haben. Das gibt uns den Extra-Kick an Motivation», sagte Stahl. Platz vier für ihre Vereinskollegin Katharina Molitor, die ebenfalls bei Zöllkau trainiert - ein unvergesslicher Abend für die deutschen Speerwerferinnen.

Talent, hartes Training, aber auch die Sturheit der Westfälin haben Stahl schon mit 24 so weit gebracht. «Alles unter einen Hut zu bringen, das Studium und den Sport, ist eine große Herausforderung. Bei mir ist es die Sturheit, beides machen zu können. Aber das Studium steht an erster Stelle», betonte die WM-Sechste von Berlin. «In den nächsten zwei Semestern will ich erst mal alle Scheine machen und mich dann voll auf Olympia 2012 konzentrieren», kündigte sie an. «Dann gebe ich 200 Prozent für den Sport.»

Auch Christina Obergföll ist eine Kämpferin, doch auch diesmal hatte sie wieder harte Konkurrenz aus Leverkusen - und «schwere Beine». Schwamm drüber. «Ich habe eine Medaille, eine weitere in meiner Sammlung. Ich fühle heute beides, Freude und Enttäuschung. Ich wäre gerne oben gewesen», gestand die Olympia-Dritte von Peking. Nach dem EM-Stress will die 28-Jährige aus Offenburg nun noch bei ein paar Meetings starten: «Ich muss noch Geld verdienen.»

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