"So schnell werden die Wunden nicht heilen"
Kommentar zur Wahl von Trump
Donald Trump hat im Wahlkampf Fakten gemieden. Nun möchte er Amerika wieder zusammenführen, hat er angekündigt. Da muss man ihn beim Wort nehmen, sagt unser Berliner Korrespondent Andreas Herholz.

Donald Trump
Es ist die politische Sensation des Jahres, für viele ein Schock und der wahr gewordene amerikanische Albtraum. Nicht wenige sind in der vermeintlichen Gewissheit eingeschlafen, Hillary Clinton werde die Wahl schon gewinnen und wurden schließlich am nächsten Morgen mit der für sie erschütternden Nachricht konfrontiert, dass nicht die erste Frau in der Geschichte der Vereinigten Staaten ins Weiße Haus einziehen wird, sondern der Republikaner Donald Trump.
Das Enfant terrible, der Mann, der im Wahlkampf wie ein Hassprediger aufgetreten war und das Land noch tiefer gespalten hat, ist von der Mehrheit der Amerikaner gewählt worden. Es ist ein demokratisches Votum, das es zu akzeptieren gilt, ganz gleich, ob man es mag oder sich ein anderes Votum gewünscht hätte. Offenbar fühlt sich die Mehrheit der US-Amerikaner vom politischen Establishment in Washington, das gerade Hillary Clinton wie kaum eine andere verkörpert, nicht mehr ausreichend vertreten.
Man muss ihn beim Wort nehmen
Der wirtschaftliche Niedergang, die Entindustrialisierung ganzer Regionen macht immer mehr Menschen, die sich abgehängt fühlen empfänglich für Populismus und Provokation. Trump hat es offenbar verstanden vor allem auch in diesem Wählerreservoir zu fischen, die Unzufriedenen zu mobilisieren, indem er ihnen die Rückkehr des „American dream“ und das Blaue vom Himmel versprochen hat, ohne jede Rücksicht auf Fakten und Wahrheiten. Wenn er sich jetzt in der Stunde seines Triumphes plötzlich besonnen, fast demütig und versöhnlich gibt und verspricht, Amerika wieder zusammenzuführen, sollte man ihn beim Wort nehmen.
Such a beautiful and important evening! The forgotten man and woman will never be forgotten again. We will all come together as never before
— Donald J. Trump (@realDonaldTrump)
So schnell jedenfalls werden die Wunden nicht heilen. Es bleibt die Hoffnung, dass das Verantwortungsbewusstsein unter seinen republikanischen Parteifreunden und das System der „Checks and Balances“, der Kontrolle des Präsidenten durch beide Parlamentskammern, dazu führen wird, dass Trump eher früher als später zur Vernunft kommen und den Realitäten folgen wird. Sein Credo „America first“ jedenfalls, ein Kurs des Isolationismus könnte die Welt teuer zu stehen kommen. Jetzt ist Europa gefordert, näher zusammen zu rücken und mehr Verantwortung zu übernehmen.