Silbermedaille: Judoka Thiele schafft Sensation

Erst schloss Judoka Kerstin Thiele nach ihrem Überraschungs-Coup Bundestrainer Michael Bazynski innig in die Arme, dann warf sie auf ihre Silbermedaille einen fast ungläubigen Blick.

London (dpa)

von Von Michael Fox, dpa

, 01.08.2012, 18:46 Uhr / Lesedauer: 2 min

Kerstin Thiele überraschte in London mit der Silbermedaille. Foto: Michael Kappeler

Kerstin Thiele überraschte in London mit der Silbermedaille. Foto: Michael Kappeler

Wie aus dem Nichts hat die 25-Jährige bei den Olympischen Spielen in London in der Gewichtsklasse bis 70 Kilogramm eine völlig unerwartete Medaille erkämpft und den deutschen Judokas nur einen Tag nach dem Silber für Peking-Olympiasieger Ole Bischof das zweite Edelmetall beschert. «Wahnsinn. Es ist Silber», sagte die Leipzigerin, die ihr Glück auch noch Minuten nach ihrem unglaublichen Wettkampf noch nicht fassen konnte. «Das war ein grandioser Tag.»

Die 25-Jährige lieferte den Wettkampf ihres Lebens ab. Im Finale war sie gegen die französische Top-Favoritin und Weltmeisterin Lucie Decosse allerdings chancenlos. Doch Silber war für die immer wieder von Rückschlägen zurückgeworfene Athletin buchstäblich Gold wert. «Ich habe alle Kräfte mobilisiert. Nach dem Finale war ich kurz enttäuscht, aber Silber ist Wahnsinn», meinte sie strahlend. Auch Michael Vesper, der deutsche Chef de Mission, war begeistert. «Sensationell, dass sie bis ins Finale vorgestoßen ist. Das ist ein riesengroßer Erfolg.»

Dabei hatte Thiele Olympia nach einem schwierigen Jahr 2011 eigentlich schon abgehakt. «Sie hatte gar nicht mehr daran geglaubt», berichtete Bundestrainer Bazynski, der sich mit seinem Schützling freute. «Bei ihr ist so viel schief gelaufen in den vergangenen Jahren.» Zwar hatte die Mattenkämpferin noch im Februar 2011 ihre Klasse mit einem Rang zwei beim Prestige trächtigen Grand Slam in Paris unterstrichen. Doch danach begann eine lange Leidenszeit.

Erst verletzte sie sich am Daumen. Wochenlange Pause. Im Endspurt auf die letztjährige WM in Paris verdrehte sich Thiele im Training das Knie - nichts war es an ihrem Geburtstag mit dem WM-Start. «Ich bin sehr traurig, aber es ist das Vernünftigste», sagte Thiele damals. Das Pech zeigte Wirkung: In der Olympia-Qualifikationswertung lag der Pechvogel hinter der Berlinerin Iljana Marzok - und erhielt dann als Letzte doch noch den Zuschlag. «Als ich gefragt wurde, wer von meinen Frauen eine Medaille holt, habe ich sie genannt», erzählte Bazynski stolz.

Die Bauchentscheidung erwies sich als richtig. Erst bezwang Thiele Außenseiterin Moira de Villiers (Neuseeland) mit einem Pflichtsieg, doch dann machte die 25-Jährige Ernst. Sie besiegte die starke Ungarin Anett Meszaros durch Kampfrichter-Entscheid nach Verlängerung, dann war im Pool-Finale die WM-Zweite Edith Bosch (Niederlande) an der Reihe.

Im Halbfinale ließ sie sich dann auch von der Chinesin Chen Fei nicht aufhalten und zog erneut durch Kampfrichter-Entscheid ins Finale ein. «Das war ein harter Fight», sagte Thiele. «Als die Fahnen hoch gingen, haben meine Beine gezittert.» Im Endkampf musste sie sich dann aber der Weltmeisterin Decosse geschlagen geben, die den Franzosen das erste Judo-Gold in London sicherte.

Christoph Lambert schied dagegen in der Gewichtsklasse bis 90 Kilogramm schon in seinem ersten Kampf aus und war untröstlich. «Das ist für mich eine Riesen-Enttäuschung. Man arbeitet ja nicht vier Jahre für einen Kampf», sagte der 27 Jahre alte Braunschweiger.

Kaum hat Thiele ihre Silbermedaille erhalten, verpasst sie ihr einen Kuss. Foto: Michael Kappeler

Kaum hat Thiele ihre Silbermedaille erhalten, verpasst sie ihr einen Kuss. Foto: Michael Kappeler

Lediglich der Fränzösin Lucie Decosse (l) war die Deutsche nicht gewachsen. Foto: Michael Kappeler

Lediglich der Fränzösin Lucie Decosse (l) war die Deutsche nicht gewachsen. Foto: Michael Kappeler

Der Traum von Gold erfüllte sich dann doch nicht. Foto: Michael Kappeler

Der Traum von Gold erfüllte sich dann doch nicht. Foto: Michael Kappeler

Trainer Michael Bazynski tröstet seinen Schützling nach dem verlorenen Finale. Foto: Michael Kappeler

Trainer Michael Bazynski tröstet seinen Schützling nach dem verlorenen Finale. Foto: Michael Kappeler

Grenzenlos war Thieles Jubel nach dem Kampfrichterentscheid im Halbfinale gegen Chen Fei. Foto: Franck Robichon

Grenzenlos war Thieles Jubel nach dem Kampfrichterentscheid im Halbfinale gegen Chen Fei. Foto: Franck Robichon

Schlagworte: