Sechs Monate warten auf den Booster: Kann ich mich auch früher impfen lassen?

Coronavirus

Sechs Monate nach der zweiten Impfdosis kann man sich boostern lassen. Was aber, wenn man den Impfschutz schon vorher erhöhen will? Auf welche Faktoren es ankommt.

Berlin

16.11.2021, 06:51 Uhr / Lesedauer: 4 min
Ein Booster empfiehlt sich, um den persönlichen Schutz vor Covid-19-Erkrankung und Tod zu erhöhen.

Ein Booster empfiehlt sich, um den persönlichen Schutz vor Covid-19-Erkrankung und Tod zu erhöhen. © picture alliance/dpa

Frühestens sechs Monate nach der zuletzt verabreichten Dosis gegen Covid-19 kann man sich in Deutschland boostern lassen. Die Impfverordnung sieht die Möglichkeit zur Auffrischung nach Ablauf dieser Frist grundsätzlich für alle Menschen vor, für die es zugelassene Impfstoffe gibt – also alle über 12-Jährigen.

Für diejenigen, die sich im Frühjahr haben impfen lassen, also insbesondere Ältere und besonders Gefährdete mit Risikofaktoren und Menschen aus Berufen mit besonders vielen Kontakten, ist die Frist schon in diesem Herbst abgelaufen, oder wird es in den kommenden Wochen. Andere, die im Sommer und Herbst die zweite Dosis erhalten haben, müssen sich hingegen noch ein wenig gedulden.

Aber macht das Abwarten Sinn? Was, wenn man angesichts explodierender Infektionszahlen schon früher eine Auffrischung gegen Corona haben möchte? Lohnt es, schon früher um einen Termin beim Hausarzt oder der Hausärztin zu bitten?

Warum sechs Monate?

Ein Booster empfiehlt sich, um den persönlichen Schutz vor Covid-19-Erkrankung und Tod zu erhöhen. Untersuchungen aus Israel, Schweden und Deutschland haben gezeigt, dass das Level für den Immunschutz relevanter Antikörper bei allen zugelassenen Impfstoffen mit der Zeit unterschiedlich stark abnimmt, spätestens aber nach sechs Monaten. Das heißt nicht, dass es dann plötzlich gar keinen Schutz mehr gibt. Aber die Impfung schützt nicht mehr so gut vor Ansteckung, Erkrankung und Tod wie zu Beginn.

Dafür gibt es eine Lösung: Den Impfbooster, also eine dritte Dosis mit einem mRNA-Impfstoff. Dieser erhöht den Schutz vor schwerem Covid-19 infolge einer Delta-Infektion noch einmal deutlich – verglichen mit den zweifach Geimpften. Forschende aus Israel konnten beispielsweise zeigen, dass bei einem Booster mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer erneut eine 93-prozentige Wirksamkeit gegen Krankenhauseinweisung erreicht wurde.

Die immunologische Sicht: Abstand lieber einhalten

Die Daten zeigen aber auch, dass in der Regel – also wenn man nicht immungeschwächt ist oder besonders alt – ein Booster für den persönlichen Schutz sechs Monate nach Verabreichen der zweiten Impfdosis ausreicht. „In den ersten Monaten nach der Zweitimpfung hat man erst einmal einen exzellenten Schutz“, erklärte etwa der Impfstoffforscher Erik Leif Sander der „Zeit“. „Da ist der Nutzen der Auffrischung noch nicht so hoch.“

Die Ausnahme: Personen mit schwerer Immunschwäche. Sie können die dritte Impfstoffdosis bereits vier Wochen nach Grundimmunisierung bekommen. Wer mit Johnson & Johnson geimpft wurde, kann ebenfalls vier Wochen nach der Grund­immunisierung mit einer Dosis von Biontech oder Moderna auffrischen.

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Es gibt dem Experten zufolge einen immunologischen Grund, wieso es in den anderen Fällen Sinn hat, abzuwarten: Gibt man die Drittimpfung zu früh, unterbricht man bestimmte Reifungsprozesse des Immunsystems. „Man sollte nicht sofort nachimpfen“, erklärte Sander. Es sei von anderen Impfstoffen bekannt, dass ein größerer Abstand zwischen Zweitimpfung und Booster zu einer besseren Immunantwort führt. Wo genau beim Corona-Impfstoff die Grenze verlaufe, wisse man jedoch nicht genau.

Die Sicht der Stiko: Gefährdete zuerst

Eine weitere Überlegung, wieso es als gesunde Person mittleren Alters im Moment nicht anzuraten ist, sich noch vor der Frist um einen Booster zu bemühen, stellt die Ständige Impfkommission (Stiko) in den Vordergrund. Das Gremium empfiehlt – entgegen der Aufforderung von Bund und Ländern – derzeit nur besonders Gefährdeten den Booster und nicht allen Menschen. Dazu zählen Ältere über 70 und Menschen mit Immundefizienz, worunter beispielsweise Immundefekte, Organ- und Stammzelltransplantationen, Krebs und HIV fallen.

Der Grund? „Die Situation ist ja Folgende, die überwiegende Anzahl der Covid-Patienten auf den Intensivstationen sind über 60-Jährige und Personen mit Vorerkrankungen“, erklärte Stiko-Mitglied Klaus Überla im Gespräch mit dem Science Media Center (SMC). „Und wir brauchen akut eine Entlastung der Intensivstationen. Insofern müssen wir bei Engpässen hinsichtlich der Impfkapazität zunächst diese Personengruppen impfen, um rasch von den Zahlen auf den Intensivstationen herunterzukommen.“ Bei einer Auffrischimpfkampagne sollte der Stiko zufolge soweit wie möglich nach absteigendem Lebensalter vorgegangen werden.

In dem Moment, wo man genügend Impfkapazitäten hätte, würde eine generelle Auffrisch-Impfempfehlung für über 18-Jährige sicherlich „sehr sinnvoll“ sein, machte Überla klar. „Das heißt, wir müssen jetzt sehen, wie schnell gelingt es wirklich, die Impfkapazitäten hochzufahren und auch gezielt die zu motivieren, die besonders gefährdet sind, an den Auffrischungsimpfungen teilzunehmen.“ Das ist eine politische Aufgabe. Aber auch, wenn genug Impfstoff und Struktur für die Kampagne vorhanden ist, macht die Stiko in einer aktuellen Stellungnahme klar: „Eine Auffrischimpfung soll bei immunkompetenten Personen frühestens sechs Monate nach Abschluss der Grundimmunisierung erfolgen.“

Die epidemiologische Sicht: Schnell viele boostern

Eine Empfehlung der Stiko, dass sich alle Menschen boostern lassen, wird also sehr wahrscheinlich noch kommen – wenn Impfstoff und Struktur der Kampagne klar sind. Ein Argument, den Booster dann bei sehr hoher Infektionsdynamik rechtzeitig zu bekommen, auch ohne Vorerkrankung oder hohes Alter, demonstrieren Beobachtungsdaten aus Israel und Großbritannien. Dort wurde bevölkerungsweit bereits im Sommer intensiv geboostert.

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In der Folge ging das Infektionsgeschehen in den relevanten Bevölkerungsgruppen zurück – hatte also einen eindämmenden Effekt. Die Hoffnung haben Fachleute auch hierzulande: Deutschland könnte mittelfristig die Ansteckungen im Corona-Winter besser in den Griff bekommen, wenn die Boosterimpfungen zügig bevölkerungsweit durchgeführt werden.

Muss der Booster am Stichtag erfolgen?

Ein Anruf beim Hausarzt oder der Hausärztin, dass Interesse an einer Auffrischungsimpfung besteht, schadet also nicht. Darauf zu drängen, weit vor der Sechs-Monatsfrist dranzukommen, ist aber kontraproduktiv. Grundsätzlich sollte man mit der Sechsmonatsgrenze pragmatisch umgehen, sagt Sander. Wer zum Beispiel unter 70 Jahre alt ist oder etwas weniger als sechs Monate geimpft, sollte den Booster nicht ablehnen: Bei Grenzfällen würde er überhaupt nicht dogmatisch vorgehen. „Dann würde ich sagen: Jeder gegebene Booster ist besser als jeder nicht gegebene.“ Auch eine Auffrischung nach vier oder fünf Monaten halte er für unbedenklich – gerade bei besonders hohem Infektionsrisiko oder Vorerkrankungen.

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Die rund sechs Monate Abstand nach der zweiten Impfung seien für Personen ohne Immunschwäche lediglich ein Richtwert, sagt auch der Immunologe Carsten Watzl. Alles zwischen vier und acht Monaten sei „wohl okay“. Ob man sich infiziere, hänge zudem nicht nur davon ab, wie gut der Immunschutz ist, so der Experte. Sondern auch davon, wie stark man dem Coronavirus ausgesetzt ist. Sprich: Bei steigenden Infektionszahlen steigt auch das Ansteckungsrisiko.

Wo kann ich mich informieren?

Die erste Anlaufstelle für eine Auffrischimpfung ist der Hausarzt oder die Hausärztin. Wer dort nicht weiterkommt oder keine feste hausärztliche Praxis hat, kann zum Beispiel bei der kostenlosen Hotline 116 117 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung anrufen und nach Terminen fragen. Eine weitere Anlaufstelle ist das vom Bundesgesundheitsministerium betriebene Portal „zusammengegencorona.de“. Dort gibt es zum Beispiel eine interaktive Deutschlandkarte, in der man Links, Telefonnummern sowie konkrete Impfangebote findet.

RND

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