Schulpflicht stellt Städte in NRW vor Probleme
Steigende Flüchtlingszahlen
In Nordrhein-Westfalen herrscht Schulpflicht auch für Flüchtlinge. Doch die steigenden Flüchtlingszahlen stellen die Städte vor immer größere Probleme. In einigen Städten des Kreises Unna gab es Ende des Jahres für einige Jugendliche mehrere Wochen lang keinen Platz mehr an den weiterführenden Schulen. Die Stadt Bochum hat ein großes Raumproblem.

Unter den Flüchtlingen sind viele schulpflichtige Kinder. Die steigenden Zahlen stellen die Kommunen in NRW vor Herausforderungen.
Die steigenden Flüchtlingszahlen sorgen nicht nur für Platzprobleme bei der Unterbringung der Asylbewerber in den Städten, sondern auch bei der Suche nach Schulplätzen. Denn in Nordrhein-Westfalen gilt - anders als in einigen anderen Bundesländern - die Schulpflicht auch für Flüchtlinge, so bald sie einer Stadt zugewiesen sind.
Die Stadt Bochum aber hat keinen Platz mehr für die Beschulung von Asylbewerbern und Flüchtlingen. "In Bochum stehen nicht genügend räumliche Kapazitäten zur Verfügung", erklärte ein Sprecher der Bezirksregierung gegenüber unserer Redaktion. Am pädagogischen Konzept gebe es nichts zu bemängeln, doch "aus unserer Sicht muss sich die Stadt mit dem begrenzten Raumangebot auseinandersetzen." 75 Kinder befinden sich aktuell in der Vermittlung, die Stadt Bochum hofft, sie schnell vermitteln zu können.
In Bochum wurden in den vergangenen sieben Jahren 19 Schulstandorte geschlossen. Jetzt fehlen die Räume. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung habe die Stadt sicherlich zu recht ihr Angebot reduziert, so die Bezirksregierung. Doch jetzt müsse eine Lösung gefunden werden. Nach Auskunft der Bochumer Verwaltung selbst arbeite man derzeit daran "zusätzlichen neuen Schulraum durch die Wiederinbetriebnahme von aufgegebenen Schulgebäuden zu gewinnen." Im übrigen sei auch durch die Inklusion sei der Raumbedarf gestiegen.
Im Kreis Unna warteten in der zweite Januarwoche zehn Kinder und Jugendliche in Lünen auf einen Platz an einer weiterführenden Schule, darunter sechs Mädchen, für die schon seit Ende September bzw. Mitte Okotober ein Hauptschulplatz gesucht wird. Dazu kamen zwei weitere Jugendliche, die einen Gesamtschulplatz brauchten, zwei hätten eigentlich ein Berufskolleg besuchen sollen.
Gleichzeitig waren zwei Hauptschüler in Selm ohne Platz an einer Schule, in Bergkamen warteten vier schulpflichtige Jugendlicher auf einen Platz an einer weiterführenden Schule und in Schwerte gab es vor Weihnachten 6 Kinder, die mehrere Wochen zur Schule gehen wollten, aber nicht konnten.
Wo liegt das Problem im Kreis Unna?
Während Städte mit hohen Flüchtlingszahlen wie Duisburg, Köln und Dortmund Auffangklassen bilden können, geht das in den kleineren Städten im Kreis Unna nicht. "Dazu braucht man mindestens 15 Kinder einer Schulform - die haben wir aber nicht überall", sagt Marina Raupach, Leiterin des Kommunalen Integrationszentrum des Kreises Unna (ehemals RAA). Im Kreis Unna wird daher das so genannte Go-In-Modell praktiziert. Das bedeutet: Die Kinder besuchen keine Auffangklasse, sondern eine der 25 Projekt-Schulen und erhalten differenzierten Deutschunterricht. Vermittelt werden die Plätze seit 2012 zentral durch das Kommunale Integrationszentrum. "Wir schätzen den Bildungsstand der Schüler ein und vermitteln als zentrale Stelle einen Schulplatz", erklärt die Leiterin Marina Raupach. "Vor 2012 haben alle möglichen Stellen gleichzeitig nach einem Schulplatz gesucht - Schulaufsicht, die Familien selbst, die Kommunen - jetzt haben die Familien einen direkten Ansprechpartner und die Wartezeiten sind sehr viel geringer als früher". Vor 2012 sei es im Kreis Unna auch schon mal zu Wartezeiten von einem Dreivierteljahr gekommen. Heute sei die Situation sehr viel entspannter - und sie verändere sich täglich, betont Raupach. So seien fünf Jugendliche aus Lünen bereits wieder weggezogen, die anderen vermittelt. Dennoch ist es ein Balancieren auf der Grenze. Inzwischen warten wieder 15 neue Kinder und Jugendliche im Kreis Unna auf einen Schulplatz. Denn die Kapazitäten sind in einigen Städten erschöpft. Raupach: "In Lünen gehen die Schulen an die Grenzen". Natürlich komme es auch mal vor, dass eine Schule melde, sie habe keine Kapazitäten und es gebe dann doch noch Platz. "Dann geht der Fall an die Schulaufsicht." Doch das sei nicht das Hauptproblem.
Wie sieht es in anderen Städten aus?
Auch andere Kommunen kämpfen mit den steigenden Zahlen zugewanderter Schüler.In Dortmund beispielsweise gibt es bisher schon 18 Grundschulen und 23 weiterführende Schulen mit Auffangklassen quer über das Stadtgebiet. "Doch wir laufen ständig hinterher", erklärt der zuständige Schulrat Dieter Ihmann. So werden zum 1. Februar Auffangklassen an 13 weiteren Grundschulen und 8 zusätzlichen weiterführende Schulen eingerichtet. "Das geht quer durch alle Schulformen und alle Stadtbezirke", so Ihmann. Grundsätzlich funktioniere die Integration der Flüchlingskinder in den Schulen aber sehr gut, da diese neben den Stunden in den Auffangklassen auch mit anderen Kindern gemeinsam unterrichtet werden. "Die Lehrer stellen fest, dass die Kinder besonders eifrig und lernwillig sind", erklärt der Schulrat. Kein Kind müsse in Dortmund auf einen Schulplatz warten.
Auch die Stadt Köln richtet laufend neue Vorbereitungsklassen für Kinder und Jugendliche mit schlechten Deutschkentnissen ein. Zu aktuell 115 Klassen kommen bis zum Ende des Schuljahres 2014/15 noch einmal 30 dazu. Nach Auskunft des dortigen Schulamtes läuft aber in der Millionenstadt rund: Es gebe keine Wartelisten, alle Kinder durchliefen ein festes Prozedere und erhielten relativ schnell einen Schulplatz.
In Dorsten ist vor allem die gerechte Verteilung der neu zugewanderten Schüler ein Problem.
Was tut das Land Nordrhein-Westfalen?
Schulministerin Sylvia Löhrmann hatte im November angekündigt, zu den bislang 3000 Stellen für Integrationslehrer zusätzlich 300 Lehrerstellen zur Verfügung zu stellen. "Die Ausschreibungen laufen", sagte ein Sprecher des Schulministeriums auf Anfrage. Diese zusätzlichen Stellen seien grundsätzlich für die Integrationsarbeit und die gezielte Deutschförderung vorgesehen. Wo sie eingesetzt werden, entscheidet die Schulaufsicht - also die Bezirksregierung.
67 Stellen sind beispielsweise für den Regierungsbezirk Arnsberg vorgesehen, 34 bereits ausgeschrieben.
Ob die 300 zusätzlichen Stellen reichen? Das weiß niemand. "Die Herausforderung ist, das man nicht genau planen kann", heißt es aus dem Schulministerium. Die Prognosen der Flüchtlingszahlen sind jedoch eindeutig: Sie werden weiter steigen.