Schützt die Corona-Impfung vor Long Covid – und gibt es Spätfolgen bei Omikron?

Coronavirus

Die ansteckende Omikron-Welle könnte auch eine Welle der Spätfolgen nach sich ziehen, fürchten Fachleute. Aber wie häufig kommt Long Covid überhaupt vor, wen trifft es, schütz eine Impfung?

von Saskia Heinze

, 17.01.2022, 04:30 Uhr / Lesedauer: 5 min
Long-Covid-Syndrome nennt man anhaltende Spätfolgen einer Covid-19-Infektion. Dazu zählen etwa Müdigkeit, Konzentrationsschwäche oder Schmerzen in Muskeln und Gelenken.

Long-Covid-Syndrome nennt man anhaltende Spätfolgen einer Covid-19-Infektion. Dazu zählen etwa Müdigkeit, Konzentrationsschwäche oder Schmerzen in Muskeln und Gelenken. © picture alliance/dpa/dpa-tmn

Viele Menschen haben nach einer überstandenen Corona-Infektion mit Langzeitfolgen kämpfen. Berichte von Betroffenen mehren sich. Sie zeigen: Die Diagnose kann nach schwerem und leichtem Verlauf auftreten, kann Junge wie Alte, Frauen wie Männer und auch Kinder treffen. Sechs Fragen und Antworten darüber, was man inzwischen über mögliche Spätfolgen weiß, was nicht – und wie man sich davor schützen kann:

Wie viele Menschen werden nach der Omikron-Welle von Long Covid betroffen sein?

Wie viele Menschen in und nach der Omikron-Welle konkret von Long Covid betroffen sind, ist schwer vorherzusagen und zu beziffern. Strukturierte Erhebungen gibt es bislang nicht – denn die Virusvariante zirkuliert erst seit Ende November in der Welt. Long Covid-Spezialisten und -Spezialistinnen gehen aber davon aus, dass das Virus noch viele Menschen infizieren wird – und damit auch viele von ihnen Spätfolgen davontragen werden. „Mit Omikron ist damit zu rechnen, dass uns die Long Covid-Problematik noch einige Monate begleiten wird“, sagt etwa Rembert Koczulla. Als Chefarzt am Fachzentrum für Pneumologie an der Schön Klinik in Berchtesgaden begleitet er Patientinnen und Patienten bei der Rehabilitation.

Eine bevölkerungsrepräsentative Studie der Universitätsmedizin Mainz hat von Oktober 2020 bis Juni 2021 rund 10.200 Corona-Infizierte begleitet. Die Forschenden kamen zum Schluss, dass bei bis zu 40 Prozent der an der Studie Teilnehmenden an für Long Covid typische Symptome über mindestens sechs Monate litten. Etwa ein Drittel der Befragten sagte aus, seit der Infektion nachhaltig in der Leistungsfähigkeit eingeschränkt zu sein.

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Jördis Frommhold, die an der Median Klinik in Heiligendamm ein Reha-Programm speziell für an Long Covid-Erkrankte aufgebaut hat, weist auf eine weitere Studie hin: Derzufolge waren rund 10 Prozent der Infizierten von Spätfolgen betroffen. „So oder so ist hier aber von mehreren Hunderttausend bis zu Millionen Menschen die Rede, die Spätfolgen haben werden – und das allein in Deutschland“, sagte die Präsidentin des Fachverbands Long Covid dem RND.

Wen trifft Long Covid – und welche Symptome sind typisch?

„Wir sehen, dass Patienten und Patientinnen durchaus ein Jahr und länger an Symptomen leiden, wenngleich sich das in Kombination mit einer Reha mit der Zeit verbessern kann“, berichtet Lungenspezialist Koczulla. Nicht jeden und jede treffe Long Covid so sehr, dass man monatelang arbeitsunfähig wird, ergänzt Frommhold. Möglich ist das aber schon. „Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es mit einer chronischen Erkrankung zu tun haben.“ Wen Folgeschäden treffen, ist nur schwer einzugrenzen. Oft seien auch 20- bis 50-jährige gesunde und leistungsstarke Menschen ohne Vorerkrankungen betroffen.

Die Symptome sind vielfältig und eine eindeutige Definition von Long Covid existiert derzeit nicht. Laut der Mainzer Studie waren besonders häufig genannte Symptome Geruchs- und Geschmacksstörungen, Abgeschlagenheit und Müdigkeit, Gedächtnis- und Schlafstörungen, Atemnot und Kurzatmigkeit. Frauen waren etwas häufiger von Spätfolgen betroffen als Männer. Das Alter spielte für das Auftreten von Long Covid kaum eine Rolle.

Schützt die Impfung vor Long Covid?

Studien aus England und den USA sehen erste Hinweise darauf, dass das Risiko für Long Covid nach einer Durchbruchsinfektion geringer ist. „Es gibt eine Studie, die zeigt, dass die Impfung das Risiko von Long Covid um 48 Prozent reduziert“, berichtet Koczulla. Theoretisch mache das auch Sinn. „Mit der Impfung vermeidet man in den meisten Fällen den Ausbruch der Erkrankung. Deshalb ist es logisch, dass auch Folgeerscheinungen von Covid-19 ausbleiben“, erklärt der Long Covid-Spezialist.

Ärztin Frommhold macht ähnliche Erfahrungen im Klinikalltag. „Wir beobachten im Moment nur sehr wenige geimpfte und erneut infizierte Patienten und Patientinnen, die anschließend eine ausgeprägte Long-Covid-Symptomatik haben“, berichtet sie. „Wie hoch die Schutzwirkung genau ist, kann man aber noch nicht sagen. Die Studienlage ist noch knapp.“

Sind Spätfolgen auch nach einem milden Corona-Verlauf möglich?

Weltweit wurde beobachtet, dass auch eine milde oder asymptomatische Corona-Infektion auf lange Sicht Symptome hervorrufen kann. Wie wahrscheinlich das ist, kann nicht exakt beziffert werden, da es unterschiedliche Daten hierzu gibt.

Auch bei Omikron geben Fachleute noch keine Entwarnung. „Frühestens im Frühling wird klar werden, was es mit den Spätfolgen auf sich hat“, sagt Frommhold. Zwar sieht es danach aus, dass die neue Virusvariante weniger häufig bis zur Lunge vordringt und vor allem im Nasenrachenraum verweilt. Trotzdem könnte das Virus auch persistent sein. „Das bedeutet, dass das Virus in ganz kleinen Teilen im Körper überlebt und chronische Entzündungsreaktionen anfeuert“, erklärt Frommhold. Bewiesen ist diese Theorie noch nicht – aber die Hinweise mehren sich. So hat eine noch zu begutachtende Preprint-Studie gezeigt, dass spezielle Spürhunde noch ein Jahr nach einer leichten Corona-Infektion das Virus im menschlichen Körper erschnüffeln konnten.

Für Folgeschäden nach einem schweren Covid-19-Verlauf verwenden Fachleute hingegen den Begriff Post-Covid. Auch hier gibt es eine Faustregel: „Je schwerer die Krankheit verläuft, desto mehr Probleme können daraus im Nachhinein erwachsen“, berichtet Facharzt Koczulla. Oft gebe es lange Liegezeiten auf der Intensivstation. Wer lange bettlägerig ist, habe zum Beispiel mit einem Verlust der Muskeln zu kämpfen. „Oft sind bei Covid-19 verschiedene Organsysteme im Körper beeinträchtigt, mit langfristigen Folgen.“

Sind auch Kinder und Jugendliche von Long Covid betroffen?

Auch hier ist die Datenlage noch dünn. Forschende aus Großbritannien haben im Rahmen einer ersten größeren Studie vorläufig festgestellt, dass Kinder für längere Zeit nach einer Corona-Infektion Probleme entwickeln können. Dafür beobachteten sie rund 3000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen elf und 17 Jahren. Das Ergebnis: Einer von sieben Teilnehmenden zeigte noch fünfzehn Wochen nach der Corona-Infektion für Long Covid typische Symptome – wie Erschöpfung und Müdigkeit.

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Die Daten sind aber mit Vorsicht zu interpretieren. Denn in der Vergleichsgruppe der nicht infizierten Kinder gab es ähnliche Werte. „Man muss sich auch die Frage stellen, welchen Einfluss Lockdowns und der durch Corona veränderte Alltag an sich haben“, sagt dazu Koczulla. „Daten zeigen auch, dass sich das Bewegungs- und Essverhalten von Kindern und auch Erwachsenen seit Pandemiebeginn vor allem in den Lockdowns verändert haben.“

Man solle keine Panik schüren, betont auch Frommhold. „Trotzdem sollten wir nicht unterschätzen, wie viele Kinder von Long Covid betroffen sein könnten.“ Die Studienlage zur Häufigkeitsangabe schwanke sehr und reiche von einem bis über 50 Prozent. „Das heißt aber auch: Wir wissen es einfach noch nicht genau. Gerade deshalb sollten wir die Kinder vor dem Virus schützen.“

Was tun bei einem Long Covid-Verdacht?

Wer den Verdacht hat, an Long Covid erkrankt zu sein und behandelt werden möchte, braucht Geduld. Im Gegensatz zum Pandemiebeginn habe sich die Versorgungslage aber verbessert. Es gibt nun an mehreren Stellen Ansprechpartner: Bei einem Long Covid-Verdacht ist es ratsam, meist erst einmal mit dem Hausarzt oder der Hausärztin zu sprechen. „Es kann auch sein, dass eine andere Krankheit die Symptome hervorruft“, erklärt Koczulla. Schnupfen, Erkältung, eine Grippe – auch daher könne beispielsweise die Müdigkeit kommen. „Das wird erst einmal ausgeschlossen.“

Es gibt aber ein Problem: 30 bis 60 Minuten braucht es in der Regel für ein Erstgespräch, um Long Covid zu diagnostizieren. „Der Hausarzt oder die Hausärztin kann das oft gar nicht leisten“, berichtet Koczulla. Bei einer spezifischen Problematik, die nicht besser wird, sollte deshalb womöglich auch ein Facharzt oder eine Fachärztin aufgesucht werden. Bei sich nicht verbessernder Luftnot hilft zum Beispiel der Lungenspezialist oder die Spezialistin. Es gibt auch spezielle Long Covid-Ambulanzen, die häufig an den Hochschulen zu finden sind. Aber es ist zumeist auch hier nicht sicher, dass man zeitnah einen Termin erhält. Einige Reha-Kliniken therapieren Menschen mit Long Covid gezielt.

Aber auch hier müssen Patienten und Patientinnen warten, um einen Termin zu bekommen. Oft vergehen mindestens sechs Monate bis zum ersten Termin, berichtet Koczulla. Von Wartezeiten bis zu einem Jahr berichtet Ärztin Frommhold. „Es gibt regional auf jeden Fall noch Verbesserungsbedarf“, sagt der Mediziner. Viele Kollegen und Kolleginnen an anderen Standorten berichteten ebenfalls von Engpässen. Die Kostenträger sähen zudem nicht immer eine Notwendigkeit der Behandlung, wie Patienten und Patientinnen wiederholt beschrieben.

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