Einmalzahlung statt Gehaltserhöhung: Was der Scholz-Plan für Beschäftigte bedeuten würde

Inflation

Bundeskanzler Scholz hatte eine steuerfreie Einmalzahlung der Arbeitgeber vorgeschlagen. Damit will er die Inflation in den Griff bekommen, verrät aber keine Details. Was wir bisher wissen.

Berlin

28.06.2022, 06:51 Uhr / Lesedauer: 3 min

Am Montag hüllt sich die Bundesregierung in Schweigen. Man werde die Berichte vom Wochenende weder bestätigen noch kommentieren, sagt der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner bei der Regierungspressekonferenz.

Tags zuvor hatte die „Bild am Sonntag“ Spektakuläres berichtet. Sie meldete, dass Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bei dem Spitzengespräch zur Eindämmung der Inflation am kommenden Montag eine steuerfreie Einmalzahlung durch Arbeitgeber vorschlagen wolle, wenn Gewerkschaften im Gegenzug auf einen Teil der Lohnsteigerungen verzichten würden.

Die Meldung sorgte für so viel Aufregung, dass die Bundesregierung am Montag erkennbar bemüht war, die Debatte nicht weiter anzuheizen. Man könne und werde den Gesprächen im Rahmen der „konzertierten Aktion“ nicht vorgreifen, beschied Regierungssprecher Büchner.

Was bekannt ist und was nicht – ein Überblick:

Was schlägt Scholz konkret vor?

Einmalzahlung statt Lohnerhöhung: Das ist das Modell, das dem Bundeskanzler vorschwebt. Vorbild soll nach Informationen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) die Einigung bei den Tarifverhandlungen der chemischen Industrie sein. Im April hatten sich Arbeitgeber und Gewerkschaften wegen der ungewissen Lage auf eine Einmalzahlung von 1400 Euro als Zwischenlösung geeinigt und ihrer Verhandlungen auf den Oktober vertagt.

Scholz hatte diese Vorgehensweise als „interessanten Weg“ bezeichnet. Offenbar plant der Kanzler nun, einen steuerlichen Anreiz zu setzen, damit möglichst viele Branchen dem Vorbild folgen.

Was bezweckt der Bundeskanzler mit seinem Vorschlag?

Scholz treibt die Sorge vor einer sogenannten Lohn-Preis-Spirale: Orientieren sich die Gewerkschaften bei ihren Lohnforderungen allein an der Preisentwicklung, besteht nach Ansicht vieler Ökonomen die Gefahr, dass die Inflation massiv angeheizt wird. Denn in diesem Fall müssten die Unternehmen die Preise allein deshalb weiter anheben, um die gestiegenen Löhne zahlen zu können – was wiederum höhere Tarifforderungen provozieren könnte.

Die Folge dieses Teufelskreises ist nach allgemeiner Einschätzung eine Stagflation – also eine hohe Inflation bei gleichzeitiger Wachstumsschwäche, verbunden mit hoher Arbeitslosigkeit. Eine vom Staat finanziell unterstützte Einmalzahlung, so offensichtlich die Überlegung des Kanzlers, könnte den Teufelskreis durchbrechen.

Wie viel Geld würden Beschäftigte durch die Steuerfreiheit sparen?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten, weil die Belastung von den individuellen Gegebenheiten abhängt. Ein Beispiel: Bei einem Bruttojahreseinkommen von 42.000 Euro (monatlich 3500 Euro, keine Kinder) muss eine Einkommenssteuer von rund 6000 Euro gezahlt werden. Steigt das Einkommen durch eine (zu versteuernde) Einmalzahlung von 1400 Euro auf 43.400 Euro, wächst die Steuerlast um etwa 350 Euro. Von der Einmalzahlung bleiben also nur 1050 Euro übrig. Ist sie steuerfrei, landet die Summe hingegen in voller Höhe bei den Mitarbeitenden. Bei höheren Einkommen beträgt die maximale Ersparnis knapp 600 Euro.

Kann sich der Staat das überhaupt leisten?

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) kritisierte den Vorschlag als „kaum finanzierbar“. Das ist allerdings nicht schlüssig. Richtig ist zwar, dass bei der Prognose für die Entwicklung der Steuereinnahmen gewisse Mehreinnahmen durch Lohnsteigerungen eingerechnet sind, die bei einer Steuerfreiheit fehlen würden.

Allerdings hat der Staat zumindest in diesem Jahr größere finanzielle Spielräume, da die Schuldenbremse wegen des Kriegs in der Ukraine und der Corona-Pandemie weiter ausgesetzt ist. Für die Folgejahre hat Lindner außerdem zugesagt, die Mehreinnahmen des Staates durch die Inflation an die Steuerzahler zurückzugeben. Dass der Staat auf Einnahmen verzichtet, ist also längst eingeplant.

Was ist mit Selbstständigen, Rentnern, Studenten und Arbeitslosen?

Das ist die große Frage, und da die Bundesregierung den Vorstoß zumindest offiziell nicht kommentiert, gibt es darauf auch keine Antwort. Klar ist, dass von den bereits bekannt gewordenen Teilen des Scholz-Plans nur nach Tarif bezahlte Beschäftigte profitieren würden.

Wobei Kritiker das Wort „profitieren“ in diesem Zusammenhang für nicht angemessen halten, denn um ihren Mitgliedern den Genuss der steuerfreien Einmalzahlung zu sichern, müssten Gewerkschaften im Gegenzug auf regelmäßige Lohnerhöhungen verzichten. Auf Dauer wäre das für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wohl ein Minusgeschäft.

Wie reagieren die Tarifpartner?

Sowohl die Gewerkschaften als auch die Arbeitgeber zeigen sich von der Idee wenig begeistert. „Tarifverhandlungen werden nicht im Kanzleramt geführt“, sagte die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Yasmin Fahimi, dem RND. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger äußerte sich fast wortgleich. Unterm Strich allerdings könnten die Arbeitgeber mit dem Modell besser leben als die Gewerkschaften.

Was sagt die Opposition?

Aus der Union kommt harsche Kritik. „Der Vorschlag von Kanzler Scholz reiht sich nahtlos ein in nicht zu Ende gedachte Ampelpläne. Scholz versucht zu verdecken, dass seine Koalition in der Frage weiterer Entlastungen völlig planlos in die Sommerpause geht“, sagte der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Sebastian Brehm, dem RND.

„Eine solche Einmalzahlung würde eine Lohn-Preis-Spirale befeuern und damit die Inflation nicht ausgleichen, sondern zusätzlich anheizen“, so der CSU-Politiker weiter. Die Regierung könne Arbeitgeber auch nicht zu einer Einmalzahlung verpflichten, erklärte der Finanzpolitiker. „Es bliebe also dem Zufall überlassen, ob ein Arbeitnehmer in den Genuss einer Entlastung kommt oder nicht.“

Taugt der Vorschlag aus Sicht der Wirtschaftswissenschaften?

Aus der Ökonomie kommen uneinheitliche Reaktionen. Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, bezeichnete Einmalzahlungen im „Handelsblatt“ als „probates Instrument“ in den aktuellen Tarifverhandlungen.

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Gegenteilig äußerte sich der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher. Er sagte: „Höhere Löhne und Sozialleistungen sind der einzige nachhaltige Weg, wie Menschen mit geringen Einkommen dauerhaft höhere Preise für Energie und Lebensmittel verkraften können.“

RND