Ruhr.2010 geht auf Theaterreise

Sechs «Odyssee»-Uraufführungen hintereinander - und das im zweitägigen «All Inclusive»-Paket mit Nachtquartier und allen Mahlzeiten.

Essen (dpa)

von Von Rolf Schraa, dpa

, 25.02.2010, 16:22 Uhr / Lesedauer: 2 min

Die Kulturhauptstadt 2010 startet an diesem Wochenende (27./28.2.) in Essen ein wohl einmaliges Mischprojekt aus modernem Theater und Städtetour, aus hochrangiger Auseinandersetzung mit dem antiken Homer-Stoff und irdischen Logistikproblemen wie dem Gepäcktransport und der Unterbringung von Allergikern.

Unter dem Motto «Odyssee Europa» präsentieren die Ruhrgebietstheater Essen, Bochum, Oberhausen, Mülheim, Moers und Dortmund am Samstag und Sonntag (27./28.2.) sechs neue Stücke zeitgenössischer Autoren aus ganz Europa. Alle Autoren sind renommiert und können hohe Auszeichnungen vorweisen: Grzegorz Jarzyna, Christoph Ransmayr und Roland Schimmelpfennig etwa sind Nestroy-Preisträger, der Ire Enda Walsh wurde 2005 bester ausländischer Dramatiker, Péter Nádas gilt als einer der wichtigsten ungarischen Nachkriegsautoren, Emine Sevgi Özdamar bekam erst kürzlich die Carl-Zuckmayer-Medaille.

Die Texte lösen sich vom eigentlich Epos um den antiken Helden. Daraus werden moderne Dramen um Flucht und Integration, Fremdheit und Schuld. Einen «Trip durch Raum und Zeit» zu diesen großen Themen des 21. Jahrhunderts versprechen die Ruhr.2010 und die Gruppe «raumlaborberlin», die das Projekt erarbeitet haben. Die Premieren-Besucher sollen dabei wie einst Odysseus nach dem Kampf um Troja eine Irrfahrt erleben - allerdings jetzt »zu Fuß, per Bus, Schiff und Auto». Für die vier weiteren Aufführungswochenenden gibt es noch Karten. Später im Frühjahr sollen die Stücke in den einzelnen Häusern auch in den normalen Spielplan aufgenommen werden.

Etwa die Hälfte der 400 Premierengäste haben sich für das 259 Euro teure Gesamtpaket mit Übernachtung bei Überraschungsgastgebern entschieden, berichtet Tanja Martin vom Organisationsteam der Ruhr.2010. Für diese Gäste schlägt die Stunde der Wahrheit am Samstagmittag nach der ersten Aufführung im Essener Grillo-Theater. Dann stehen die Gastgeber wie sonst der Abholservice am Flughafen mit Schildern in der Hand auf dem Theater-Vorplatz und warten auf «ihren» Gast.

«Wir haben unheimlich engagierte Gastgeber, die zum Teil bei allen fünf Aufführungswochenenden Besucher beherbergen», berichtet Martin. Alle sechs Theater haben die Gastgeber vorab zu Kennenlern-Terminen eingeladen, die Gäste erhielten einen Vorbereitungsfragebogen. So soll wenigstens grob verteilt werden, wer zu wem passt. «Gehbehinderte kommen nicht in den vierten Stock und Allergiker nicht in Katzenhaushalte», verspricht Martin. Ob der Funken überspringt, zeigt sich aber erst bei der Begegnung. So sollen die Teilnehmer Teil des Kunstwerks werden und Fremdheit selbst spüren.

Wer das Wagnis scheut, kann für 189 Euro die Light-Version ohne Übernachtung buchen. Das Hotel muss dann selbst bezahlt werden. Auch für diese Gäste gibt es aber «Weggefährten», die die Besucher etwa von der ersten Station Essen nach Bochum bringen. Auf dem Weg sind ein gemeinsames Essen - vielleicht in einer Ruhrgebiets-Pommesbude - und eine touristische Route nach freier Wahl geplant. Am Sonntagabend vor der Abschluss-Vorführung in Dortmund treffen sich alle 400 Gäste zu einem gemeinsamen «Gastmahl» - Näheres bleibt geheim. Auch unterwegs sind immer wieder kleinere Überraschungen eingeplant, sagt Martin.

Aus organisatorischen Gründen wurde die Aufführungsdauer pro Stück auf zwei Stunden begrenzt. «Trotzdem - zwölf Stunden Theater am Stück: das ist ein anspruchsvolles Wochenende», sagt Martin. Falls sich nach dem Fallen des Vorhangs am Samstagabend zwischen Gästen und Gastgebern ungeplante Dramen entwickeln oder unterwegs Besucher zwischen den Theaterhäusern eine ungewollte Odyssee erleben, steht das Organisationsteam weiter zur Verfügung: «Wir haben die Handys auch nachts an», sagt Martin.

www.odyssee-europa.de

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