
Mannstein+Vill bringt die Augen des Bergmannes Jochen Schmidt an eine Hallenwand. © Hardenacke
Beim Rubug-Festival tummeln sich Kreaturen auf der Zeche Westerholt
Festival für urbane Kunst
Das Rubug-Festival auf der Zeche Westerholt in Gelsenkirchen ist gestartet. 60 Künstler und Künstlerkollektive treten in einen mystischen Dialog mit der Industrieruine.
Pflanzen bahnen sich ihren Weg durch das Gemäuer, Fensterscheiben wurden eingeschlagen, Schreibtische und Stempeluhren zurückgelassen. Einsam oder gar ausgestorben ist das Gelände der ehemaligen Zeche Westerholt in Gelsenkirchen allerdings keineswegs. Zumindest im Moment.
Das seit 2008 brachliegende Gelände ist Schauplatz des Rubug-Festivals für urbane Kunst. Rubug steht für „Ruhrgebietsbrachenumgestaltung“. Rund 60 Künstler und Kollektive aus zehn Nationen haben in den vergangenen Tagen und Wochen geschweißt, gesprayt, gezimmert, gemalt und installiert. Veranstaltet wird das Festival, das am Freitag (20. Mai) startet, vom Verein „Der Salon Ruhr“.
Rubug-Festival: Kunst im Dialog
„Wir haben einen Rundweg konzipiert“, sagt Pressesprecher Christoph Brüggemeier. An den Festivaltagen weisen Helfer den Weg. Das ist auch nötig. Die elf bespielten Hallen erstrecken sich über das großflächige und schwer überschaubare Areal.
Die temporären Werke fügen sich in die beinahe mystische Umgebung der Zeche ein. Dieser Dialog zwischen Kunst und Industrieruine ist beabsichtigt. Schon am Anfang des Rundwegs blickt der ehemalige Bergmann Jochen Schmidt den Besuchern entgegen. Das Künstlerpaar David Mannstein und Maria Vill hat den betagten Herrn fotografiert, seine Augen überdimensional vergrößert und an eine Hallenwand gebracht.

Künstlerin Chiara Dahlem inmitten ihrer Origami-Schwalben © Hardenacke
Doch nicht nur menschliche Ebenbilder tummeln sich derzeit auf der Zeche Westerholt. Einige Kollektive haben monströse Kreaturen erschaffen. „Das wird ein Wurm – ein Seelenfresser“, sagt Künstler Martin Nielebock von „Tropical Heins“ und meint damit die Monumentalskulptur, die sich kurz vor Festival-Start in der Lohn- und Lichthalle im Aufbau befindet.
Und was bedeutet Seelenfresser? Nielebock: „Viele Bergleute waren nach der jahrelangen Arbeit nicht mehr die selben. In der Lichthalle wurden außerdem Verstorbene aufgebahrt, die in der Grube ums Leben kamen.“
Ruine inspiriert zu Vogel-Motiven
Zarte, beinahe poetische Wesen trifft man hingegen in der ehemaligen Schwarzkaue. Dort hat Chiara Dahlem in monatelanger Arbeit 1100 Origami-Schwalben gefaltet. Schwarze Papiervögel, eingesperrt in den alten Kleiderkörben, befreien sich auf ihrem Weg durch die Kaue und fliegen in buntem Gewand schließlich Richtung Sonnenlicht.
„Die schwarzen Vögel stehen für Untertage, die Dunkelheit. Sie gehen zur Dusche, kommen bei der Weißkaue heraus und sind frei, fangen an zu fliegen“, beschreibt die Luxemburgerin.

Ein Graffiti von Guido Zimmermann © Hardenacke
Generell scheint die Zeche Westerholt viele Künstler zu Vogelmotiven inspiriert zu haben: Beispielsweise in Form eines großformatigen, dynamischen Graffitis von Guido Zimmermann auf der Außenseite des Mannschaftsganges oder als metallener Schwarm von Rico a L’arrache, der eine Werkstatt durchquert.
Das Festival für urbane Kunst findet vom 20. bis zum 22. sowie vom 26. bis zum 29. Mai auf der Zeche Westerholt in Gelsenkirchen statt. Tickets gibt es ab 9,50 Euro. Inhaber der Ruhrkultur-Card erhalten außerdem 50 Prozent Ermäßigung auf den regulären Preis. Tickets unter www.rubug.de
Im Sauerland aufgewachsen, in Frankfurt am Main und in Münster studiert und dabei immer „irgendwas mit Medien“ gemacht. Schließlich den Weg ins Ruhrgebiet gefunden: zuerst als Volontärin bei Lensing Media, seit April 2023 Redakteurin bei der Recklinghäuser Zeitung. Hört gerne zu und schreibt noch lieber auf.