Regisseur Roland Schwab verbindet beim neuen Essener „Parsifal“, den er am Sonntag am Aalto Theater herausgebracht hat, den christlichen Erlösungsgedanken mit dem aus dem Buddhismus entlehnten Kreislauf des ewigen Leidens.
Die Bühne von Piero Vinciguerra – der 2022 schon den Bayreuther „Tristan“ ausgestattet hat – verortet das mystische Geschehen um die Gralsritter und deren heiligen Gral dazu in einer Art gebogenem Zeittunnel, welcher aus einem Röhrengeflecht gebildet ist.

Wasser und Blut
Von Akt zu Akt neu ausgestattet, könnten es Teilstücke eines großen Rundwegs sein. Allerdings: Steht am Anfang (Video: Ruth Stofer) ein sonnendurchfluteter Wald, so ist die Welt am Ende eine apokalyptische, mit herumliegenden Wrackteilen und toter Natur.
Dass zuletzt das die Richtung bestimmende Tunnelgerüst abhebt, stimmt da nur bedingt hoffnungsvoll.
Die Bühne wird geflutet
Schwab und Vinciguerra gelingen bei ihrer vom Publikum begeistert aufgenommenen Inszenierung insgesamt sehr eindringliche, dabei nah an Text und Musik bleibende Bilder für Wagners so statisches und handlungsarmes Bühnenweihfestspiel.
Im ersten Akt etwa ist die Bühne geflutet, wird so zu dem See, in dem Amfortas, der den Gralsspeer im Kampf verloren und eine ewig blutende Wunde davongetragen hat, Linderung für seine Schmerzen finden soll.
Amfortas schwebt in der Luft
Bei der Enthüllung des Grals am Ende dieses Akts schwebt Amfortas, den Heiko Trinsinger mit einem warmen, später auch eindringlich-kraftvollen Bariton ausstattet, wie der gekreuzigte Jesus über der Szene.
Nur befindet er sich in einem aufgerichteten Krankenhausbett. An Schläuche angeschlossen, spendet er – während der Kinderchor aus dem Off die Einleitungsworte zum Abendmahl singt – der Welt sein Blut. Die mit Gehhilfen gekommenen Gralsritter können diese stehen lassen, denn sie sind gesundet.
Installation von Nam June Paik
Parsifal, der „reine Tor“ und endgültige Erlöser, kann da nicht hinschauen. Gurnemanz, den Sebastian Pilgrim mit klarem, nuanciertem und ausdrucksstarkem Bass zum Ereignis macht, verweist ihn des Gralsgebiets.
So landet Parsifal erst einmal bei Amfortas‘ Gegenspieler, dem Speer-Räuber Klingsor (souverän als böser, alter Rocker: Almas Svilpa) in dessen vom Eros bestimmten Zaubergarten. Von Nam June Paiks Installation „TV-Garden“ inspiriert, sind Fernsehmonitore ins vielfältige Grün platziert, aus denen Augen blicken oder der Titelheld mit seiner Kindheit konfrontiert wird.
Klangstrom im Orchester
Durch die auf eigene Erlösung bedachte Kundry kommt es zu einer kurzen Liebesszene von großer Leidenschaftlichkeit: Robert Watson, einziger Gast in Essens hochkarätigem Wagner-Ensemble, und die rauschhaft betörende Bettina Ranch laufen dabei stimmlich zur Höchstform auf.
In den Gralsszenen beeindrucken Chor und Extrachor des Aalto Theaters mit Strahlkraft und Einfühlungsvermögen. Was aber wäre der „Parsifal“ ohne dein tolles Wagner-Orchester? Andrea Sanguineti und die Essener Philharmoniker entfalten einen suggestiven, nicht versiegenden Klangstrom. Einfach großartig!
Termine: 30. 3., 18. 4., 18. / 29. 5., 8. 6.; Karten: Tel. (0201) 812 22 00 oder Hier gibt es Karten:
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