Roger Vontobel bringt "Rose Bernd" auf die Bühne

Premiere

Am Schauspielhaus Bochum gibt es am Sonntag ein Wiedersehen mit Regisseur Roger Vontobel und Schauspielerin Jana Schulz. Schon häufig haben die Beiden in Produktionen zusammengearbeitet. Die neue Inszenierung "Rose Bernd" ist aber eine ganz besondere Herausforderung.

BOCHUM

, 02.10.2015, 18:10 Uhr / Lesedauer: 2 min
In Vontobels Inszenierung erzählt sich der Status der Figuren über Kleidung und Sprache.

In Vontobels Inszenierung erzählt sich der Status der Figuren über Kleidung und Sprache.

Eine reduzierte, abstrakte Bühne, Figuren ihrer Zeit enthoben und dennoch greifbar und gegenwärtig – was sich Regisseur Roger Vontobel und Dramaturgin Marion Tiedtke für ihre Inszenierung von „Rose Bernd“ vorgenommen haben, ist enorm: Denn in dem fast in Vergessenheit geratenen Stück von Gerhart Hauptmann sehen die beiden Analogien zur Gegenwart der Flüchtlingskrise.

Es ist 1903 als Hauptmann das sozialkritische Werk schreibt. Die Titelfigur, Rose Bernd, stammt aus einem niederen Stand und arbeitet in einem wohlhabenden Haushalt als Dienstmädchen. Es kommt, wie es kommen muss: Affären, Ausbeutung und am Ende ein Kindsmord.

„Die Frau wird zum Opfer der Männer – aber nur, weil sie nicht den richtigen sozialen Status hat“, sagt Tiedtke. Auch deshalb wird Jana Schulz die Titelrolle übernehmen: Weil Rose Bernd keine reine Opferfigur ist, sondern durch ihre Herkunft „aus den Mechanismen ausgeschlossen, aber trotzdem in diesen Mechanismen benutzt wird“, so die Dramaturgin.

Flüchtlingsdebatte

Darin liege auch die Analogie zu den Flüchtlingen, die aufgrund ihrer Herkunft und ihres Status kaum eine Chance haben, in der europäischen Gesellschaft gleichberechtigt zu leben. „Wir wollen aber trotzdem keine Flüchtlinge auf der Bühne zeigen“, sagt Tiedtke und will die Transferleistung dem Zuschauer überlassen.

Der soll den „Existenzkampf“ und die „Verlorenheit“ spüren, wenn die Figuren verloren auf der kargen Bühne stehen und ihr sozialer Status mittels ihrer Kleidung transportiert wird – und der Sprache. Hauptmann schrieb sein Stück im schlesischen Dialekt.

Bei der Vorbereitung der Inszenierung sprachen Vontobel und Tiedtke auch mit einer älteren Dame aus Schlesien – und die machte die Theatermacher darauf aufmerksam, dass Hauptmann den schlesischen Dialekt dem sozialen Stand anpasste. Wer höhergestellt war, der sprach in Hauptmanns Drama weniger Dialekt als der unterste Stand – und der wiederum versuchte seinen starken Dialekt vor der Herrschaft abzumildern.

Debüt am Haus

Diese Art von „sozialer Streckung“, wie es Tiedtke nennt, soll nun in der Inszenierung am Schauspielhaus besonders hervorgehoben werden, indem das reiche Ehepaar Flamm Hochdeutsch und der Stand um Rose Bernd Dialekt spricht. „Diese Bearbeitung ist gar nicht so einfach“, sagt die Dramaturgin.

Und noch etwas ist ungewöhnlich an der Bochumer Inszenierung: Der Däne Olaf Johannessen gibt mit dem Stück sein Debüt am Schauspielhaus Bochum. Nach Stationen am Schauspielhaus Düsseldorf und beim dänischen Film, spielte Johannessen unter der Regie von Vontobel in „Hexenjagd“ am Royal Danish Theatre mit – nun holt der Schweizer Regisseur den Dänen wieder nach Deutschland und stellt so schon mal unter Beweis, dass hinter der Bühne die Herkunft keine Rolle spielt. Ob sich diese Erkenntnis auch bei den Zuschauern festsetzen wird, das wird sich ab Sonntag zeigen.  

Premiere am Sonntag, 4. Oktober, 19 Uhr im Schauspielhaus Bochum. Es gibt noch Karten.