Richard Flanagan: Krieg und Liebe
Richard Flanagan ist einer der bekanntesten australischen Autoren überhaupt. Jetzt ist sein preisgekröntes Buch «Der schmale Pfad durchs Hinterland» auf Deutsch erschienen.

Richard Flanagan hat für seinen Kriegsroman «Der schmale Pfad durchs Hinterland» den Man Booker Prize erhalten. Foto: Facundo Arrizabalaga
An einem lauen, sonnigen Nachmittag des Jahres 2002 spazierte Richard Flanagan über die Sydney Harbour Bridge, als ihm diese Geschichte einfiel, die seine Eltern ihm erzählt hatten.
Sie handelte von einem Letten, der nach dem Krieg in ihr kleines Dorf in Tasmanien ausgewandert war. Er war in Kriegsgefangenschaft geraten und als er von dort in seine Heimat zurückkehrte, sagte man ihm, seine Frau wäre gestorben. Doch er konnte das nicht glauben und suchte sie verzweifelt - in der postapokalyptischen Ödnis des Nachkriegs-Europas. Nach zwei Jahren gab er auf, wanderte nach Australien aus, heiratete, gründete eine Familie.
Jahre später dann, bei einem Ausflug aus Tasmanien ins ferne Sydney, erblickte er seine lettische Frau in einer Menschenmenge. An jeder Hand hatte sie ein Kind. Und er stand vor der Entscheidung: Sollte er sich ihr zu erkennen geben und ihrer beider Leben aus den Fugen heben? Oder sollte er weitergehen?
«Ich denke, dass ist die schönste Geschichte, die man sich vorstellen kann - eine Geschichte über Liebe und was sie uns kostet», sagt der 54-jährige Flanagan im Interview der Deutschen Presse-Agentur. «Ich bin dann an diesem Tag sofort in ein Pub gegangen und habe das Kapitel geschrieben - auf Bierdeckel.» Auch wenn es noch zwölf Jahre dauern sollte, bis er seinen Roman «Der schmale Pfad durchs Hinterland» fertiggeschrieben hatte, habe er an diesem Tag gewusst: «Das ist das Herz der Geschichte.»
Flanagan erzählt in seinem Buch die Geschichte des Chirurgen Dorrigo Evans, der als Kriegsheld gilt, weil er die Todeseisenbahn zwischen Thailand und Burma überlebt hat, an deren Bau er als japanischer Kriegsgefangener mitarbeiten musste. In dem Gefangenenlager kämpft er gegen Hunger, Krankheit und die Grausamkeit des Lagerleiters. Dabei wird er immer wieder heimgesucht von Erinnerungen an die Liebe seines Lebens.
Es ist ein großer Roman über Krieg und Liebe, der inhaltlich an Geschichten wie «Der Englische Patient» erinnert, und streckenweise sehr poetisch ist: «Ein glücklicher Mann hat keine Vergangenheit, ein unglücklicher Mann hat nichts anderes» - so lautet einer der Schlüsselsätze in dem Buch, für das Flanagan im vergangenen Jahr aus den Händen von Prinz Charles' Frau Camilla den wichtigsten britischen Literaturpreis bekommen hat, den Man Booker Prize.
Das Buch, so sagt er, ist auch seinem Vater gewidmet, der selbst als japanischer Kriegsgefangener an der Todeseisenbahn mitarbeiten musste. «Ich war eins von sechs Kindern und wir sind alle als Kinder der Todeseisenbahn aufgewachsen - nicht, weil er uns so viele Geschichten erzählt hätte, sondern weil er so viel nicht erzählt hat», sagt Flanagan, der für die Recherchen auch den Mann getroffen hat, der der Lageraufseher seines Vaters war. «Mein Vater hatte einen außergewöhnlichen Blick auf das Leben und vieles von dem, was mich als Menschen heute ausmacht, hat seinen Ursprung in den Erlebnissen meines Vaters beim Bau der Todeseisenbahn.»
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