Renaissancemusik zeigt in Dortmund ihren Reiz – ganz ohne Erotik

Auf Zeche Zollern

Wenn alte Musik in die Charts aufrückt, steckt oft ein Film dahinter. Ausgerechnet der Erotik-Film "Fifty Shades of Grey" bescherte jüngst einer Motette aus dem 16. Jahrhundert neue, ungeahnte Popularität: "Spem in alium" vom englischen, heute nur noch unter Spezialisten bekannten Komponisten Thomas Tallis.

DORTMUND

, 17.08.2016, 19:58 Uhr / Lesedauer: 1 min
"Spen in alium" erklang in der Maschinenhalle der Zeche Zollern.

"Spen in alium" erklang in der Maschinenhalle der Zeche Zollern.

Obgleich fast 450 Jahre alt ist das Stück (auf deutsch: "Hoffung auf einen anderen") wie gemacht für den Surround-Sound heutiger Kinos: Acht fünfstimmige Chöre ließ Tallis durch das Gesangsensemble rotieren - sogar mit wechselnder Richtung. Der russische Profi-Chor "Music Aeterna", zurzeit Gastensemble bei der Ruhrtrienale, bringt es in der Maschinenhalle der ehemaligen Zeche Zollern in Dortmund gleich zweimal an einem Abend zur Aufführung.

Chor sang aus der Ferne

Bei seinem Auftritt ist das Ensemble zunächst fast gar nicht zu sehen. Der Chor singt hinter dem in der Hallenmitte als Bühne aufgestellten Podest - also aus der Ferne. Anders als die Untermalung schlüpfriger Filmchen dürfte das Raumklangexperiment des Dirigenten Vitaly Polonsky durchaus im Sinne des Erfinders sein. Die genauere Struktur des Stücks lässt sich hingegen am Ende des Konzerts besser nachvollziehen, wenn es noch einmal auf der Bühne erklingt.

Schnittke ist die Entdeckung des Abends

"Music Aeterna" hat noch ein weiteres räumlich reizvolles Werk im Programm: György Ligetis 16-stimmiges "Mikropolyphones" Klanggewebe "Lux Aeterna". Die 20 Sängerinnen und 20 Sänger beherrschen dieses hochkomplizierte und schwierig auszulotende Stück mit makelloser Bravour. Und doch ist die eigentliche Entdeckung des Abends die Sakralmusik des 1998 verstorbenen Neutöners Alfred Schnittke. In den beiden Sätzen seines ebenfalls 16-stimmigen Konzerts für Chor und erst recht in den einfach gesetzten "Drei geistlichen Gesängen" zeigt er sich harmonisch gewohnt virtuos, aber ungewöhnlich fest in der Tonalität verwurzelt. Es sind Bekenntnisse eines spät zum Glauben Gefundenen, deren Überzeugungskraft sich nicht besser transportieren ließe, als die Chorsänger der Permer Staatsoper.

Kostenlos ist der Chor am Freitag, 19. August 2016, um 17 Uhr im Forum City Mülheim am Hans-Böckler-Platz zu erleben.