
Alex Terheyden (18) ist als Mädchen geboren, fühlt sich aber als Junge im falschen Körper. © Christian Pozorski
Als Mädchen geboren: Alex Terheyden fühlt sich gefangen im falschen Körper
Neue Identität/Mit Video
Vor Monique Terheyden liegt noch ein langer Weg. Die 18-Jährige möchte ein Mann werden. Für ihr Outing als Transgender erntet sie Zuspruch, aber auch Ablehnung.
Schon als junges Mädchen wusste Monique Terheyden, dass sie anders ist als ihre Mitmenschen. Das habe schon in der Grundschule angefangen. „Da war ich unsterblich in meine beste Freundin verliebt.“ Heute ist klar: Monique Terheyden ist nicht lesbisch, sondern pansexuell, wie sie erklärt. Sie verliebt sich in Menschen, unabhängig von deren Geschlecht. Eine weitere Erkenntnis, die weitaus größere Konsequenzen nach sich zieht, ist, dass die 18-jährige Recklinghäuserin das Gefühl hat, im falschen Körper zu stecken. Sie möchte nicht als Frau, sondern als Mann wahrgenommen werden.
Beim Pressegespräch trägt der Abiturient – für den Bericht werden fortan männliche Pronomen verwendet – kurze, blonde Haare, ein schwarzes, locker sitzendes T-Shirt, kurze Jeans und ein Piercing in der Nase. Breitbeinig sitzt er auf der Couch in seiner ersten eigenen Wohnung. An der Küchentür hängt eine Regenbogenflagge, an der Wohnzimmertür die Transgender-Flagge in den Farben Pink, Rot und Orange.
In Plateau-Stiefeln und Gehrock zum Abiball
„In der Pubertät hat es angefangen, dass ich mich in meinem Körper unwohl gefühlt habe. Erst habe ich es darauf geschoben, dass sich mein Körper entwickelt hat und es mir deshalb unangenehm war.“ Aber auch Jahre später sei das Gefühl geblieben. „Ich habe Kleider und Schminke, aber auch Hemden schön gefunden. In meiner Kindheit habe ich mit Puppen und mit Lego gespielt“, so der 18-Jährige.
Heute sei Schminke für ihn eine Form, sich künstlerisch auszudrücken. Auf einem Foto sieht sein Gesicht aus wie ein buntes Kunstwerk. „Ich habe schon alle Haarfarben und Haarlängen ausprobiert.“ Zum Abiball trug Alex Terheyden hohe Plateaustiefel und einen Gehrock.

Alex Terheyden (l.) trug zu seinem Abiball ein schwarzes Jackett mit weißem Hemd darunter. Sein Partner Jay Große-Perdekamp (Julia Große-Perdekamp) ist ebenfalls transsexuell und auf dem Weg, ein Mann zu werden. © Alina Meyer
Mit etwa 16 habe die damalige Monique Terheyden ihre Freunde gebeten, sie einfach mal mit Alex anzusprechen und mit männlichen statt weiblichen Pronomen. „Das hat sich dann plötzlich richtig angefühlt. Ich hatte mehr das Gefühl, ich selbst zu sein und zu mir selbst zu finden.“ Gleichzeitig habe sie Panik bekommen. „Zuerst habe ich versucht, das Gefühl zu verdrängen. Irgendwann konnte ich das aber nicht mehr. Ich habe gemerkt, dass mein Inneres nicht mit meinem Äußeren übereinstimmt.“ Vor zwei Jahren, in der Übergangsphase zur Q1, hat sich der Schüler schließlich als Transgender geoutet.
Seit 1980 können die Deutschen ihr Geschlecht anpassen
Von Eltern und Freunden wird der Recklinghäuser inzwischen nur noch mit dem Vornamen Alex angesprochen. Den hat er sich ausgesucht. „Meine Familie hat super reagiert, als ich ihnen erzählt habe, dass ich das Gefühl habe, im falschen Körper geboren worden zu sein. Manche haben schon geahnt, dass es in diese Richtung geht. Alle haben gesagt, dass sie mich weiter so lieben werden wie vorher auch und dass sie ihr Bestes geben werden, sich so schnell wie möglich an den neuen Namen und die Pronomen zu gewöhnen.“
Bis der Vorname „Alex“ auch offiziell in seinem Ausweis steht, ist es noch ein weiter Weg. Möglich ist das schon länger. Seit 1. Januar 1981 ermöglicht das „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“, kurz Transsexuellengesetz oder TSG, dass sich die Deutschen ein anderes Geschlecht anerkennen lassen können als das, das ihnen bei der Geburt zugewiesen worden ist.

Alex Terheyden setzt sich innerhalb und außerhalb der Schule für mehr Toleranz gegenüber der queeren Community ein. © Christian Pozorski
Alex Terheyden versuche gerade herauszufinden, wie der Weg dahin aussieht. Ob und welche Kosten die Krankenkasse übernehmen wird, sei völlig unklar. „Ich brauche Gutachten von Psychiatern, Anwälten und Richtern. Ich bin gerade dabei, das erste von einem Psychiater erstellen zu lassen, damit ich bald anfangen kann, Hormone einzunehmen. Wenn es gut läuft, dann kann ich Anfang nächsten Jahres damit beginnen.“ Als nächster Schritt komme die Namensänderung und danach die Geschlechtsangleichung in einer Operation.
Gutachten verlangt intime Antworten
Gerade die intimen Fragen, die Alex Terheyden für das erste Gutachten beantworten musste, seien ihm äußerst unangenehm gewesen. „Ich musste angeben, wie ich als Kind war, ob ich sexuell aktiv bin, und inwiefern, wo und mit wem ich meine Sexualität auslebe. Ich musste angeben, dass ich nicht vergewaltigt worden bin und auch bis ins kleinste Detail offenlegen, was ich an meinem Körper nicht mag. Ich glaube, man könnte den Weg für Transgender auch angenehmer gestalten.“

Alex Terheyden hat schon mehrmals seine Haare gefärbt. So sah er noch vor einem halben Jahr aus. © Christian Pozorski
Leicht habe es der Schüler nie gehabt. „Er war auf dem Gymnasium ständig Mobbing ausgesetzt. Wir sind heilfroh, dass die Schulzeit endlich vorbei ist“, sagt seine Mutter Sandra Terheyden. „Immer wieder ist mein Sohn von Mitschülern übel beschimpft worden.“ Zugleich sagt sie: „Die Lehrer tragen keine Schuld. Sie geben ihr Bestes, um Mobbing entgegenzuwirken, aber es gibt Grenzen.“ Alex Terheyden: „Die Lehrer können ihre Augen nicht überall haben. Vieles passiert in den Pausen oder auch online in den sozialen Netzwerken. Meine Generation war die erste, die schon in der fünften Klasse ein Smartphone am Start hatte.“
Diskriminierung gehöre zum Schulalltag
Aussprachen bei sogenannten Mobbingtagen in den Klassen hätten nur vorübergehend ihren Zweck erfüllt. „Mobbing, Diskriminierung, Rassismus und Homophobie gehören auch heute noch zum Schulalltag. Ich bin dafür, dass Aussprachen über diese Themen in jedem Schuljahr wiederholt werden“, so der Abiturient.

In der Abizeitung steht es schwarz auf weiß: Alex Terheyden hat nach Angaben der Schülerschaft die größte äußerliche Veränderung des gesamten Jahrgangs durchgemacht. © Christian Pozorski
Alex Terheyden möchte Lehrer werden. „Ich möchte Schülern Wissen über die queere Community vermitteln und mehr Toleranz für solche Themen schaffen. Das mache ich auch schon in Form einer AG an dem Gymnasium.“
Ein Etappenziel hat ihn kürzlich emotional werden lassen. „Bei der Zeugnisübergabe für mein Abitur bin ich mit ‚Alex Terheyden‘ aufgerufen worden. Der Name steht auch in der Abizeitung.“
Seit Juli 2017 Volontärin bei Lensing Media. Hat Journalismus und PR an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen studiert. Mag am Journalismus, dass man ständig neues kennenlernt: die Stadt, die Menschen und ihre Geschichten.