Heinar Kipp-hardts „Bruder Eichmann“ handelt von dem Holocaust-Mitorganisator Adolf Eichmann, der sich 1961/62 beim Prozess in Israel als unschuldig darstellte, weil er nur Befehle von oben ausgeführt habe. Am Freitag hatte das Dokumentarstück am Theater Oberhausen Premiere.
Dass es schon 42 Jahre alt ist, merkt man bei der Lektüre vor allem an den einmontierten Analogie-Szenen, die „Beispiele der ‚Eichmann-Haltung‘“ aus der damaligen „unmittelbaren Gegenwart“ wiedergeben. Oberhausens Intendantin Kathrin Mädler ersetzt diese Szenen durch „Geschwister Eichmann“, einen Text von Lukas Hammerstein, der als Uraufführung hinten dran gehängt ist. So ergibt sich ein langer Theaterabend aus zwei Stunden Kipphardt plus einer Dreiviertelstunde Hammerstein.

Ein Familienfest
Mädler nimmt die Familien-Metaphern auf und lädt zum Familienfest. Das Publikum, auf 120 Personen beschränkt, sitzt mit auf der Bühne – an einer imposanten, einen Grabhügel umschließenden Tafel. Bei Kipphardt Zeugen der Eichmann-Verhöre in Israel, sind die Zuschauer hier Teil einer großen Tischgemeinschaft.
Statt von einem Polizeihauptmann wird der Angeklagte von zwei zunehmend aufgebrachten Enkeln (Nadja Bruder und Philipp Quest) über biografische Details und Beweggründe ausgefragt. Frau Eichmann (Regina Leenders) springt ihrem Gatten immer mal wieder resolut bei. Verteidiger Servatius (Klaus Zwick) ist ein komplizenhafter Kumpel.
Überhebliche Gelassenheit
Torsten Bauer spielt den Eichmann souverän und mit überheblicher Gelassenheit. Nur einmal, als er auf die „Endlösung“ angesprochen wird, gerät er in Rage: „Ich fand das alles unglaublich!“, fährt es da aus ihm heraus.
Für „Geschwister Eichmann“ wechselt das Setting, und die zuvor dunkel und formell gekleideten Spieler tragen lässig-hellen Freizeitlook. Eichmann sitzt im Publikum, alle andern bilden einen wortspielreichen Sprechchor über Bewältigung und Verdrängung bis heute. „Stell dir vor, es ist Vergangenheit und keiner hört hin“, heißt es an einer Stelle. Kathrin Mädler erhebt in Oberhausen so laut ihre Stimme, dass das nicht geschieht.
Weitere Aufführungen
Termine: 26. 3., 11. / 13. 4., 9. / 10. / 30. 5.2025; Karten: Tel. (0208) 857 81 84.
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