Proteste begleiten Ankunft der Fackel in Peking
Die erste Protestaktion ausländischer Tibet- Aktivisten und schärfste Sicherheitsvorkehrungen haben die Ankunft des olympischen Feuers in Peking überschattet.

Nach einer Protestaktion vor dem Olympia-Gelände in Peking ist das Schicksal von vier Tibet-Aktivisten aus den USA und Großbritannien ungewiss. (Foto: Free Tibet 2008)
Einer vierköpfigen Tibet-Gruppe gelang es am Mittwochmorgen trotz der Präsenz vieler tausend Sicherheitskräfte rund um das Olympia-Gelände, zwei große Transparente mit der Forderung nach Freiheit für Tibet an 40 Meter hohen Masten aufzuhängen. Zu Beginn des dreitägigen Fackellaufs in Peking riegelte die Polizei den Platz des Himmlischen Friedens weiträumig ab. Zuschauen durfte am Vormittag nur ein größtenteils handverlesenes Publikum.
US-Präsident George W. Bush mahnte unterdessen in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul erneut mehr Meinungs- und Religionsfreiheit in China an. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch warf China eine «massive Zunahme» von Menschenrechtsverletzungen vor.
Demonstriert und protestiert wurde am Mittwoch in Peking gleich mehrfach. Jedes Mal waren Chinas Sicherheitskräfte überrascht, obwohl inzwischen an jeder großen Straße, an jeder Kreuzung, jeder Brücke Uniformierte postiert sind. Die Aktion der Tibet-Aktivisten wurde erst nach mehr als zehn Minuten beendet. Obwohl in der Nähe der betreffenden Kreuzung am südlichen Rand des Olympiageländes zu jeder Tages- und Nachtzeit Sicherheitskräfte präsent sind, wurden sie laut Staatsagentur Xinhua erst durch einen Anruf alarmiert. Dutzende neugieriger Pekinger verfolgten die Aktion.
Zwei Briten und zwei Amerikaner - darunter eine Frau - im Alter von 23 bis 34 Jahren waren beteiligt und wurden von der Polizei festgehalten. Die chinesischen Behörden ordneten die Ausweisung an. Die ersten beiden sollten noch in der Nacht in ein Flugzeug gesetzt werden, die anderen beiden am Donnerstag, wie die staatliche Nachrichtenagentur Xiinhua meldete.
Neben Tibet-Aktivisten meldeten sich auch US-Abtreibungsgegner am Platz des Himmlischen Friedens (Tian'anmen) zu Wort: Sie veranstalteten ein Sit-In gegen Zwangsabtreibungen in China und skandierten Parolen; die Polizei brach die Kundgebung erst nach einer halben Stunde ab. Die staatliche Nachrichtenagentur meldete, die Polizei habe die Drei laufen lassen. Fast gleichzeitig präsentiert ein Aktionskünstler in Hotelzimmern mit roter Farbe besprühte Puppen - das sollte Blut symbolisieren.
Die Tibet-Aktivisten kletterten um kurz vor sechs Uhr morgens auf die Masten und entrollten ihre Transparente. «Tibet will be free» (Tibet wird frei sein), stand auf dem einen, «One World One Dream Free Tibet» (Eine Welt, ein Traum, befreit Tibet) auf dem anderen. Organisiert wurde die Aktion von der New Yorker Gruppe «Students for a free Tibet». Das Olympia-Organisationskomitee BOCOG wandte sich wenig später gegen «jeden Versuch, die Spiele zu politisieren».
Für die New Yorker Zentrale war die Gruppe telefonisch nicht mehr erreichbar. Die Aktivisten hatten ihre Festnahme erwartet. Auch die US-Botschaft in Peking war nach den Protestaktionen zunächst nicht über den Verbleib der beteiligten US-Bürger informiert.
Zum Auftakt des Fackellaufs in Peking riegelte die Polizei den Platz des Himmlischen Friedens weiträumig ab. Das Publikum dort bestand nur aus einer dünnen Reihe jubelnder Zuschauer. Die meisten Olympia-Fans scheiterten an den zahlreichen Straßensperren. Unter den 433 Fackelträgern am Mittwoch war auch der China-Chef von Volkswagen, Winfried Vahland. Als ein Hauptsponsor der Spiele hat der Konzern den Chinesen 5000 Autos geschenkt.
US-Präsident George W. Bush forderte während seines Südkorea- Besuchs vor allem größere Religionsfreiheit in China. «Ich habe siebeneinhalb Jahre chinesische Spitzenpolitiker getroffen und meine Botschaft war immer die gleiche: Sie sollten religiöse Menschen in ihrer Gesellschaft nicht fürchten.» Zugleich verteidigte er seine Teilnahme an der Eröffnungsfeier in Peking an diesem Freitag.
Human Rights Watch warf der chinesischen Führung vor, ihre Versprechen auf ganzer Linie gebrochen zu haben. «Die Pekinger Spiele haben eine Rückwärtsbewegung bei einigen fundamentalen Grundrechten ausgelöst», sagte Sophie Richardson, die Asienbeauftragte der Menschenrechtsorganisation.
In Berlin riefen mehrere Menschenrechtsorganisationen zu Demonstrationen gegen die chinesische Politik auf. Mehr als 100 internationale Sportler forderten Chinas Präsidenten Hu Jintao auf, die Menschenrechte in seinem Land zu wahren. An dem öffentlichen Appell beteiligten sich nach Angaben von Amnesty International vom Mittwoch auch viele Teilnehmern der Sommerspiele.