Im neuen Roman der Kölner Autorin und Literaturwissenschaftlerin Annette Mingels – „Der letzte Liebende“ heißt er – geht es um Carl Kruger. Der ist um die 80 Jahre alt, einsam und hat seine Schwierigkeiten, mit diesem Lebensabschnitt klarzukommen. Seine Frau Helen stirbt an Krebs, und seine Adoptivtochter Lisa bekundet ihm permanent ihre Abneigung, weil er Helen früher mit einer Vielzahl von anderen Frauen betrogen hat.
Carl musste im Kindesalter mit seiner Familie aus dem heutigen Polen fliehen, lebte dann in Ostdeutschland und ist schließlich in die USA ausgewandert. Ein Ausflug nach Europa zu den Stätten seiner Vergangenheit läuft nicht rund. Zum einen machen ihm gesundheitliche Probleme zu schaffen, zum anderen verläuft der Besuch bei seinem älteren Bruder Konrad alles andere als konfliktfrei.
Psychologisch glaubwürdig
„Der letzte Liebende“ ist ein psychologisch sehr glaubwürdiger Roman, der tief ins Innere seiner Hauptfigur eintaucht. Vor unserem inneren Auge entsteht ein Mensch, der mit den Zumutungen des Altwerdens zu kämpfen hat.
Als ihn ein kleiner Junge fragt, ob er Freunde hat, muss er wahrheitsgemäß mit „Ich weiß nicht“ antworten. Im Gegenteil: Bekannte oder ehemalige Geliebte, von denen er einst glaubte, sie stünden auf seiner Seite, wenden sich von ihm ab. Und auch neue Frauen für sich zu interessieren, fällt ihm schwerer als früher. Alte Sicherheiten, auch die Selbstsicherheit, brechen weg.
Zentrale Rolle spielt Familie
„Der letzte Liebende“ ist ein sehr heutiger Roman, der sowohl die aktuellen Konflikte zwischen den Generationen, als auch Geschehnisse unserer Zeit thematisiert – wie die Corona-Pandemie oder den Ukraine-Krieg.
Eine zentrale Rolle spielt die Familie. Welchen Zusammenhalt und Zufluchtsort bietet sie trotz aller Konflikte und Andersartigkeiten, und wo gibt es dabei Grenzen? Insgesamt sehr lesenswert.
Annette Mingels: Der letzte Liebende, 304 S., Penguin, 24 Euro, ISBN 978-3-3286-0295-8.
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