Pro und Kontra: Sollten wir alle Kinder gegen Corona impfen?

Corona-Impfung

Kinder erkranken nur äußerst selten schwer an Covid-19, trotzdem wird bereits an einem Impfstoff für sie geforscht. Wird eine Corona-Impfung für Kinder wirklich benötigt?

30.03.2021, 05:30 Uhr / Lesedauer: 3 min
Corona-Impfungen für Kinder? Die Meinungen der Experten gehen auseinander.

Corona-Impfungen für Kinder? Die Meinungen der Experten gehen auseinander. © picture alliance/dpa/AP

Derzeit laufen die ersten Studien, in denen ein Corona-Impfstoff an Kindern und Jugendlichen getestet wird. Aber wird eine Impfung für Kinder wirklich benötigt? Zwei Mediziner, zwei Meinungen: Die Kinderärztin Tanja Brunnert fände es sinnvoll, viele Kinder zu impfen, auch um ältere Verwandte zusätzlich zu schützen. Der Kinderarzt und Universitätsprofessor David Martin findet hingegen, die Risiken völlig neuartiger Impfungen könne man bei Kindern nicht ohne weiteres in Kauf nehmen.

Kinder selbst haben in der Regel nur ein geringes Risiko, selbst schwer an Covid-19 zu erkranken. Sollten sie trotzdem geimpft werden?

Das sagt Tanja Brunnert, niedergelassene Kinderärztin in Göttingen und Sprecherin des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte in Niedersachsen:

„Es stimmt zwar, dass Kinder nicht so gefährdet sind für schwere Krankheitsverläufe wie Erwachsene. Wir müssen aber sehr genau beobachten, ob dies zum Beispiel bei der britischen Variante B.1.1.7. auch so bleiben wird. So könnte womöglich etwas häufiger das PIMS-Syndrom (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, eine Krankheit, die in seltenen Fällen bei Kindern nach einer Coronavirus-Infektion auftreten kann, Anmerkung der Redaktion) bei Kindern auslöst werden, als durch den Ursprungstyp. Die Untersuchungen hierzu laufen noch.

Wir brauchen die Impfung vor allem für Kinder mit schweren Erkrankungen oder anderen Risikofaktoren, wie einem Down-Syndrom. Prinzipiell aber haben auch andere Kinder das Anrecht auf eine Impfung. In Studien muss natürlich die Sicherheit des Impfstoffes nachgewiesen werden.

Jetzt lesen

Für Kinder – und hier insbesondere für die älteren Kinder – gilt außerdem, dass sie vielleicht selbst nur selten schwer erkranken, aber das Virus womöglich auf andere übertragen könnten. Kinder können in den Familien Kontakt zu potentiell gefährdeten Verwandten haben. Einige Eltern möchten vielleicht auch ihre Kinder impfen, um deren Großeltern zusätzlich zu schützen, da ja die Impfung für Erwachsene nicht zu hundert Prozent vor einer Infektion schützt.

Kinder zum Schutz anderer impfen

Zum Schutz von anderen Personen impfen wir Kinder- und Jugendärzte auch bereits Kinder gegen Grippe: Und zwar dann, wenn sie selbst eine chronische Erkrankung haben oder in deren Familie Menschen mit chronischen Erkrankungen leben, für die eine Infektion bedrohlich wäre. Auch für die gesamtgesellschaftliche Situation fände ich es gut, wenn viele Kinder geimpft sind. Nur so können wir eine Herdenimmunität erreichen.

Dass Impfstoffe genau wie Medikamente auch Nebenwirkungen haben können und sehr selten auch Komplikationen auftreten können, wissen wir. Wenn sich in Studien aber zeigt, dass die Impfung sicher ist, werden wir auch die Kinder damit impfen. Ich finde es dann vertretbar, ein vielleicht weiterhin bestehendes, aber nur geringes Restrisiko für Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen. Die Impfung sollte aber natürlich freiwillig sein und für niemanden verpflichtend.“

Das sagt David Martin, Kinderarzt und Professor an der Universität Witten/Herdecke:

„Kinder ohne spezielle Risikofaktoren sind durch Corona wirklich nur wenig gefährdet. Die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie berichtet bei 13,5 Millionen Kindern in Deutschland von vier verstorbenen Kindern in Zusammenhang mit dem Coronavirus. Es fehlen zudem detaillierte Informationen darüber, ob die Kinder an oder mit Covid-19 gestorben sind. Auch keines der 238 gemeldeten Kinder mit PIMS (Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome, eine Krankheit, die in seltenen Fällen bei Kindern nach einer Coronavirus-Infektion auftreten kann, Anmerkung der Redaktion) ist demnach verstorben, Folgeschäden sollen bei 8 Prozent von ihnen aufgetreten sein.

Dem muss man gegenüberstellen, dass Impfungen mit völlig neuartigen Inhaltsstoffen auf den Markt kommen. In Bezug auf die Todesfälle nach der Astrazeneca-Impfung wird jetzt behauptet, dass das Risiko einer Covid-19-Erkrankung größer ist – das mag für ältere Menschen stimmen, aber ganz sicher nicht für junge Menschen oder Kinder. Norwegen hat bei 120.000 Geimpften sechs schwere Zwischenfälle und 2 Todesfälle gemeldet, das ist 1:60.000. Das wäre bei einer Impfung für Kinder nicht akzeptabel.

Impfung sämtlicher Bevölkerungsgruppen nicht sinnvoll

Auch auf die gesamte Bevölkerung betrachtet könnte es sinnvoller sein, nur Risikokinder – von denen es kaum welche gibt – zu impfen. Die Impfung sämtlicher Bevölkerungsgruppen könnte das Auftreten von Mutationen fördern, die zu womöglich neuen Symptomen und der Unwirksamkeit der Impfungen führen könnte. Wie stark Erwachsene, für die es ja bereits eine Impfung gibt, zusätzlich von einer Impfung der Kinder profitieren, ist zudem völlig unklar. Und: Die Krankheit ganz zum Verschwinden zu bringen ist unrealistisch, u. a. auch weil Sars-CoV-2 auch andere Reservoire hat außer dem Menschen.

Wir brauchen eine Impfung oder hinreichende Therapie für Kinder mit Down-Syndrom oder mit anderen Risikofaktoren. Die Ergebnisse aus Studien mit gesunden Kindern, wie sie momentan zum Beispiel Moderna und Biontech durchführen, kann man aber auf diese Risikogruppen nicht ohne weiteres übertragen.

Impfung darf nicht zur Bedingung werden

Richtig fände ich daher internationale Studien an Kindern der Risikogruppe. Falsch zu diesem Zeitpunkt finde ich Aufrufe zu einer generellen Impfung von Kindern, ohne den Impfstoff und seine möglichen Nebenwirkungen zu kennen. Es wäre auch absolut falsch, eine Impfung von Kindern zur Bedingung für irgendetwas (zum Beispiel den Schulbesuch) zu machen.

Dennoch werden viele Eltern ihre Kinder impfen wollen, wenn sich eine Covid-19-Impfung als sicher genug herausstellt, zugelassen und empfohlen wird. Diese Entscheidung muss aus meiner Sicht den Eltern im Gespräch mit ihrer Kinderärztin oder ihrem Kinderarzt vorbehalten werden.“

aufgezeichnet von Irene Habich

Schlagworte: