Plant der Papst seinen Rücktritt?

Spekulationen in Rom

Zwei Termine hat Papst Franziskus im Sommer anberaumt - einer dient der Weichenstellung für die Zukunft des Vatikan. Und das in der eigentlichen Ferienzeit. Beobachter lässt das aufhorchen.

Rom

06.06.2022, 18:15 Uhr / Lesedauer: 3 min

Es ist nur eine Ankündigung von Papst Franziskus. Er will im August L‘Aquila besuchen. Doch sie reicht schon aus, Spekulationen über die Zukunft des Kirchenoberhauptes weiter anzuschüren. Plant der Pontifex etwa seinen Rücktritt? Denn der Zeitpunkt der Reise gilt als ungewöhnlich, und das Fest, das Franziskus dort mitfeiern will, geht auf seinen Vorgänger Coelestin V. zurück, der noch zu Lebzeiten den Heiligen Stuhl räumte.

Immer wieder wurde zuletzt in italienischen und katholischen Medien gemutmaßt, dass sich der Papst mit Gedanken an eine ähnliche Entscheidung wie Coelestin im 13. Jahrhundert oder vor neun Jahren Benedikt XVI. tragen könnte. Mit Blick auf die Gesundheitsprobleme und Einschränkungen des 85-Jährigen - in den vergangenen Wochen musste Franziskus Termine im Rollstuhl wahrnehmen - wird jede Äußerung und jede Planung des Vatikans aufmerksam beobachtet und ausgelegt.

Die Spekulationen erhielten in der vergangenen Woche neues Futter, als der Papst für den 27. August ein Konsistorium anberaumte. Bei dieser Kardinalsversammlung sollen 21 neue Kardinäle bestellt werden. 16 davon sind jünger als 80 und damit wahlberechtigt, wenn ein neuer Papst gesucht werden muss. Insgesamt hat Franziskus dann 83 der 132 Kardinäle in wahlfähigem Alter ernannt.

Das Timing beider Termine

So stelle er die Weichen für seine Nachfolge, betonen Beobachter. Denn auch wenn nicht absehbar sei, wie die Kardinäle abstimmen würden, so erhöhten sich doch die Chancen auf einen künftigen Papst, der die Ziele und Prioritäten von Franziskus teilt. Im Anschluss an das Konsistorium hat der Pontifex noch zwei Tage lang Gespräche über seine am Pfingstsonntag in Kraft getretene neue Vatikan-Verfassung eingeplant.

Dieses neue Grundgesetz des Vatikans namens „Praedicate Evangelium“ stellt den Verwaltungsapparat des Heiligen Stuhls neu auf. Es sieht unter anderem vor, dass Frauen künftig Einrichtungen der Kurie leiten dürfen. Auch definiert es Rom stärker als Dienstleister der Ortskirchen in aller Welt. Italienische Medien ordneten die Kurienreform als „wichtigstes Vermächtnis“ für die Nachfolger von Franziskus ein.

Franziskus wollte die Kurie reformieren

Franziskus hatte sein Amt 2013 mit dem Vorhaben angetreten, die römische Kurie zu reformieren. Mit der neuen Verfassung scheint die Aufgabe weitgehend bewältigt. Der Zeitpunkt für einen Rücktritt könnte also passen.

Aufmerksamkeit erregte nämlich nicht nur die Ankündigung von Konsistorium und Besuch in L’Aquila, sondern vor allem das Timing beider Termine. Denn üblicherweise ist im Vatikan ebenso wie in ganz Italien von August bis Mitte September Sommerpause.

Ausgerechnet in dieser Zeit eine wichtige Kirchenversammlung einzuberufen, seine Reformpläne zu diskutieren und einen symbolisch bedeutsamen Besuch in L’Aquila für den 28. August anzusetzen, könnte darauf hinweisen, dass der Papst Außergewöhnliches vorhabe, wird nun spekuliert. Die Nachricht, dass der Pontifex inmitten des Konsistoriums nach L‘Aquila reise, mache umso aufmerksamer, twitterte etwa der Vatikan-Reporter Robert Mickens.

Spekulationen aus der Luft gegriffen?

Die Entscheidung seines Vorgängers Benedikt XVI. zum Rücktritt würdigte Franziskus vor neun Jahren als Türöffner für künftige Päpste, es ihm gleichzutun. Klare Signale, dass er jetzt das Amt aufgeben wolle, hat Franziskus allerdings keine gesandt. Dennoch mehren sich die Spekulationen angesichts der gesundheitlichen Probleme.

Die seien aus der Luft gegriffen, wies Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, ein enger Freund und Berater des Papstes, dieser Tage im Gespräch mit der Website Religion Digital die Mutmaßungen zurück. Der Kirchenhistoriker Christopher Bellitto von der Kean University im US-Staat New Jersey erklärte hingegen, die meisten Vatikan-Beobachter rechneten mit einem Rücktritt von Franziskus – allerdings nicht jetzt, sondern frühestens nach dem Tod seines Vorgängers Benedikt. Er werde dem Vatikan nicht zwei ehemalige Päpste gleichzeitig zumuten wollen.

Nicht zu viel in den Zeitpunkt hineininterpretieren

In den Zeitpunkt der Fahrt nach L‘Aquila sollte vielleicht nicht zu viel hineininterpretiert werden, betonte Bellitto. Als Benedikt 2009 dorthin reiste, habe auch niemand besonderes Augenmerk darauf gerichtet. „Ich kann mich nicht an viele Geschichten erinnern, dass Benedikts Besuch 2009 uns auf den Gedanken brachte, dass er zurücktreten würde.“

Das tat Benedikt dann vier Jahre später. Er verwies darauf, dass ihm zunehmend die Kraft für das hohe Amt fehle. Coelestin V. hingegen war von Anfang an mit dem Pontifikat überfordert. Der Einsiedler hatte im Juli 1294 nur widerwillig die Wahl angenommen, nach nur fünf Monaten tauschte er die päpstlichen Gewänder wieder gegen seine Mönchskutte.


Der Artikel "Plant der Papst seinen Rücktritt?" stammt von unserem Partner, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

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