Pianist Hamelin wagte Gefühlsausbrüche im Musikforum Bochum
Klavier-Festival Ruhr
Der kanadische Pianist Marc-André Hamelin überraschte in Bochum mit einer selten gehörten Sonate. Das Publikum war hin und weg.

Auf dem Foto mal ganz in Ruhe: Marc-André Hamelin gestaltete ein gefeiertes Konzert im Musikforum Bochum. © Peter Wieler/Klavier-Festival Ruhr
Man kann diese beiden Eindrücke kaum zusammenbringen: Das gefühlvoll-leidenschaftliche Spiel und den äußerst beherrschten körperlichen Ausdruck. Der kanadische Pianist Marc-André Hamelin ist ein Phänomen – und schaffte es auch bei seinem 14. Auftritt im Programm des Klavier-Festivals Ruhr wieder zu überraschen.
Debussy war das Herzstück
Herzstück seines wunderbaren Konzerts im Bochumer Musikforum, das sich baulich und akustisch perfekt für Solo-Klavierkonzerte eignet, war das zweite Heft von Debussys Préludes. Der französische Komponist hat sie 1909 für seine Verhältnisse sehr schnell zu Papier gebracht. So haben sie einen fragmentarischen Charakter, wie kurze Stimmungsbilder, wie spontane, aber heftige Sehnsuchts- oder Erinnerungsbilder einer fühlenden Seele.
Erklärt statt verklärt
Marc-André Hamelin gelang es aufs Beste, die unterschiedlichen Charaktere der kurzen Stücke herauszuarbeiten: Das Trollig-Grollende von „Das Tor des Weins“, das Irrlichternde der tanzenden Feen, das Satirische des „Général Lavine“, die an Mussorgskys „Bilder eine Ausstellung“ erinnernde Idylle der Heidelandschaft. Nie ließ sich der 56-jährige Pianist dabei zu zu viel Pedaleinsatz hinreißen, er klärte statt zu verklären.
Russische Überraschung
Die große Überraschung erlebte der Abend allerdings schon vor der Pause. Die selten aufgeführte 3. Klaviersonate des des hierzulande als Komponist relativ unbekannten Russen Samuil Feinberg ist ein vielschichtiges Werk. Vor dem finalen, mit „Sonate“ überschriebenen Satz stehen eine nur mit der linken Hand zu beginnende „Prelude“ mit eigenwilliger Metrik. Der folgende „Funeral March“ mündet in einen wuchtig-gewaltigen Ausbruch und den Sonatensatz, der alle Gefühlsäußerungen auf einmal zu verarbeiten scheint: das Sehnen, Seufzen, Träumen, Stolpern, Schwelgen, Grollen, Wollen, Wüten. Erholung brachte erst die Zugabe: der entspannte Ragtime „Graceful Ghost“ des Amerikaners William Bolcom.