Pantoffelregen in Hagen Musicals „My Fair Lady“ feierte Premiere

Pantoffelregen in Hagen
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Die dunkelgrün-goldene Bibliothek ist mit allerlei technischen Instrumenten zugestellt. Dott befindet sich das Studierzimmer von Professor Henry Higgins, einem egozentrischen Sprachwissenschaftler, der sich auf Londoner Dialekte spezialisiert hat. Sein neustes Untersuchungsobjekt ist das Blumenmädchen Eliza Doolittle – ein „Schandfleck“ in seinem Studierzimmer, aber trotzdem eine Wette mit seinem Kollegen Oberst Pickering wert. Er will es schaffen, sie in wenigen Wochen als edle Dame auszugeben.

Thomas Weber-Schallauers Inszenierung des Musicals von Frederick Loewe am Theater Hagen gönnt der männlichen Hauptrolle Higgins, gespielt von Richard van Gemert, wenig Sympathiepunkte. Seine Sprache ist wohlwollend unverschämt, wenn nicht menschenverachtend. Aus dem Publikum hört man häufig schockiertes Auflachen, wenn er wieder einmal eine Grenze überschritten hat. Diese Wirkung scheint aber beabsichtigt.

Szene aus "My Fair Lady"
Eliza (Vera Lorenz) und ihr Professor Henry Higgins (Richard van Gemert) © Björn Hickmann/ stage picture

In der Inszenierung gibt es keine Entschuldigungen für Professor Higgins‘ soziale Inkompetenz. Stattdessen soll das Publikum komplett auf Elizas Seite sein. Vera Lorenz spielt Eliza Doolittle selbstbewusst, willensstark und mit viel Charme. Ihre charakterliche Entwicklung zeigt sich neben den übergroßen Kostümen von Yvonne Forster auch im Gesang.

So wie ihre Sprache im Lauf des Abends eloquenter wird, zeigt sich auch ihre Singstimme facettenreicher. Bei so einer Darstellung verzeiht man gerne, dass die finalen Töne in „Ich hätt‘ getanzt heut Nacht“ ein wenig atemlos geraten.

Trinker-Papa kann auch tanzen

Eine weitere Glanzleistung liefert Ansgar Schäfer als Elizas trinkender Vater, der im Publikum mit seinen Auftritten für viel Vergnügen sorgt. Seine urkomischen Tanzeinlagen mit dem Ballett Hagen gehören zu den Höhepunkten des Abends.

Neben den zahlreichen witzigen Momenten begeistert in Hagen vor allem die verträumt-heitere Musik des Philharmonischen Orchesters unter Leitung von Steffen Müller-Gabriel. Nicht selten ist aus dem Publikum leises Mitsingen zu vernehmen.

Keine Liebeskomödie

Trotzdem ist „My Fair Lady“ in Hagen keine Liebeskomödie. In der berühmten Streitszene, in der Eliza Henry ihre Pantoffeln an den Kopf wirft, wirken die beiden eher wie beste Feinde als wie unglücklich Verliebte. Dafür scheint die Chemie zwischen Higgins und Oberst Pickering besonders gut zu stimmen.

Zum Schluss trifft Eliza auf neutralem Boden ein letztes Mal auf Higgins, der immer noch an seinen menschenverachtenden Ansichten festhält. Eliza geht ihres Wegs und lässt Higgins allein und bedröppelt zurück. Auf der Bühne regnet es Pantoffeln.

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Weitere Aufführungen

Termine: 24. 4., 1. / 24. / 30. 5., 7. 7.2024; Karten: Tel. (02331) 207 32 18. www.theaterhagen.de

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