NRW-Minister schaffen für sich Tausende neue Stellen Kartell unverschämter Selbstbedienung

NRW-Minister schaffen Tausende neue Stellen: Schweigekartell ministerieller Selbstbedienung
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Ulrich Breulmann.

Diese Selbstbedienungs-Mentalität ist nicht zu fassen. In den vergangenen Jahren haben die Ministerpräsidenten und Minister unseres Landes die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihren Büros drastisch erhöht. Geld spielte dabei offenbar keine Rolle. Ich halte die jetzt bekannt gewordene Größenordnung für skandalös.

Es mag ja sein, dass es für die ein oder andere neue Stelle in der Staatskanzlei und den Ministerien einen guten Grund gibt. Aber mit Sicherheit nicht für 2.766 zusätzliche Posten und eine Aufblähung des Stellenplans um 66 Prozent innerhalb von nur 12, 13 Jahren. Das ist eine ganz und gar inakzeptable bürokratische Aufplusterung, für die ich auch nicht die geringste Rechtfertigung erkennen kann.

Im Land zählt nur eine einzige Frage: Wieviel zusätzliche Leute wollt ihr?

Klar, gibt es – wie in einem ganz normalen Wirtschaftsunternehmen auch – immer mal wieder neue Aufgaben zu bewältigen. Das logische und ökonomisch einzig sinnvolle Vorgehen ist dann, sich folgende Fragen zu stellen: Kann die Aufgabe einer unserer Leute übernehmen? Zusätzlich oder nicht? Wenn das nicht zusätzlich geht, können wir dann auf eine andere Aufgabe verzichten?

Wenn nicht, können wir für diese Aufgabe für eine gewisse Zeit einen externen Dienstleister anheuern? Wie ist da die Kosten-Nutzen-Rechnung? Und wenn alles nicht geht und es ohne neue Leute nicht funktioniert: Können wir neues Personal auch befristet einstellen?

In den von uns gewählten Regierungen des Landes Nordrhein-Westfalen scheint bei neuen Aufgaben nur eine einzige Frage gestellt zu werden: Wieviel zusätzliche Leute wollt ihr? Okay, stellen wir ein. Geld ist ja egal. Der Steuerzahler zahlt, außerdem verstecken wir es im Haushalt so gut, dass es eigentlich keiner mitkriegt.

Gentleman-Agreement auf Kosten von uns allen

Ach ja, die Opposition wird dazu schon nichts sagen: Die Roten oder wahlweise auch die Schwarzen haben es ja genauso gemacht, als sie an der Macht waren, und werden es wieder so machen, wenn sie mal wieder ans Ruder kommen sollten. Wie der Lateiner so schön sagt: „manus manum lavat“, eine Hand wäscht die andere. Ein nettes Gentleman-Agreement auf Kosten von uns allen. Ein Schweigekartell unverschämter Selbstbedienung.

Empörend ist die Tatsache, dass genau dieselben Menschen, die ihre eigenen Büros mit einem Schreibtisch nach dem anderen füllen, alle anderen zum Sparen nötigen und um Verständnis betteln, wenn sie mal wieder die Kommunen mit neuen Aufgaben knebeln, Projekt- und Fördergelder für bürgernahe Maßnahmen kürzen und so tun, als seien sie durch widrige Umstände dazu gezwungen.

Diese Heuchelei ist widerlich, wenn die mit Minister-Titel gesegneten Menschen nach solchen Kürzungsansagen direkt zurück ins Ministerium eilen, um das nächste Vorstellungsgespräch mit zusätzlichen Mitarbeitern zu führen.

Geld nicht für Lehrer und Polizisten, sondern für ministerielle Kofferträger

20.000 bis 25.000 Stellen von Lehrkräften und Polizistinnen und Polizisten sind derzeit in NRW nicht besetzt. Damit haben Ministerpräsident, Ministerinnen und Minister einen wunderbaren Weg, um die gewaltigen Kosten für ihr zusätzliches Personal zu verschleiern, denn: Das Geld für die unbesetzten Stellen in den Schulen und bei der Polizei steht zwar im Haushalt, wird aber nicht benötigt.

Da fällt es bei der Gesamtschau nicht weiter auf, wenn von diesem Geld nicht Lehrer oder Polizisten bezahlt werden, sondern ministerielle Kofferträger. Damit das auffällt, müsste die Opposition schon genauer hinschauen, doch warum sollte sie das tun? Sie wissen schon: Das Selbstbedienungs-Kartell funktioniert.

Schulbereich profitiert kaum von der Stellen-Orgie

Am Rande: Dass bei dieser Stellen-Orgie in den vergangenen Jahren ausgerechnet das Schulministerium das kleinste Stück vom Kuchen abbekommen hat, klingt wie ein Karnevalsscherz, ist aber keiner. Das zeigt, welchen Stellenwert die Schulpolitik in der Landesregierung tatsächlich hat.

Trotz aller Sonntagsreden, in denen feierlich beteuert wird, dass Bildung die höchste Priorität der Landesregierung hat, zeigt sich einmal mehr die Wahrheit des biblischen Wortes: An ihren Taten (in der Bibel ist von Früchten die Rede, aber die Bedeutung von Taten ist dieselbe) werdet ihr sie erkennen. An den Taten, steht da, nicht an den Worten.

Wie eine Entzugsklinik, die erstmal eine Kneipe eröffnet

Aus der Stellungnahme, die auf unsere Anfrage hin aus der Staatskanzlei verschickt wurde, schreit aus jeder Zeile der verzweifelte Versuch, mit an den Haaren herbeigezogenen Selbstverständlichkeiten etwas zu rechtfertigen, für das es keine Rechtfertigung gibt. Als ob Integration und Inklusion, Gewalt- und Opferschutz, Katastrophen- und Umweltschutz völlig neue Aufgaben wären, die gerade erst entdeckt worden sind.

Das Ganze gipfelt dann in dem uns Bürger geradezu verhöhnenden, abstrusen Argument, man habe ja auch ein Referat „Bürokratieabbau durch Aufgabenkritik“ geschaffen. Also: Neues Personal, um Personal zu sparen. Das ist, als wenn eine Entzugsklinik erstmal eine Kneipe eröffnet. Geht’s noch?

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