Nach Bekanntwerden eines Treffens rechter Aktivisten steht die AfD weiter im Fokus der Kritik ihrer politischen Rivalen und von Tausenden Demonstranten in mehreren Städten. Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von NRW, sagte dem „Tagesspiegel am Sonntag“, die Zusammenkunft in Potsdam mit Beteiligung einzelner AfD-Funktionäre habe gezeigt, dass die zweitgrößte Oppositionspartei im Bundestag keine „Protestpartei“ sei. Er wurde wie schon vor einigen Monaten deutlich: „Die AfD ist eine gefährliche Nazipartei.“
CDU-Parteichef Friedrich Merz sagte nach einer Vorstandsklausur am Samstag in Heidelberg mit Blick auf die anstehenden Wahlen, unter anderem in drei ostdeutschen Bundesländern: „Wir werden in diese Wahlen gehen mit einer sehr klaren, sehr harten Auseinandersetzung insbesondere gegen die AfD.“
Merz rief auch SPD, Grüne und FDP dazu auf, den „politischen Meinungskampf“ gegen die AfD zu intensivieren. Merz grenzte die CDU zugleich scharf gegen die konservative Gruppe der Werteunion und jegliche Verbindungen zu dem Treffen rechter Aktivisten in Potsdam ab. Der Ampel-Koalition warf die CDU vor, mit einem massiven Vertrauensverlust radikale Kräfte zu stärken.
Gegen einen Neujahrsempfang der AfD waren am Samstag in Duisburg laut Polizei rund 2400 Menschen auf die Straße gegangen. Die Demonstranten zogen zunächst durch die Stadt und hielten dann in der Nähe der AfD-Veranstaltungshalle eine Kundgebung ab. „Gefahr für unsere Demokratie“ und „Schande für Deutschland“ stand auf Protestplakaten. Die Polizei hatte starke Kräfte aufgeboten, um AfD-Teilnehmer und Demonstranten auf Abstand zu halten.
Demos nach AfD-Treffen mit Rechtsextremen
Ebenfalls am Samstag demonstrierten in Düsseldorf nach Polizeiangaben rund 650 Menschen dafür, ein Parteiverbot gegen die AfD zu prüfen. Die Demonstranten zogen durch die Innenstadt bis zum NRW-Landtag. Etwa 2000 Menschen hatten am Freitagabend vor der Hamburger AfD-Parteizentrale demonstriert. Am Sonntagnachmittag waren weitere Demonstrationen unter anderem in Berlin, Potsdam und Saarbrücken geplant. In der Hauptstadt rief die Organisation „Fridays for Future“ unter dem Motto „Demokratie verteidigen“ dazu auf.
In Potsdam haben am Sonntag Tausende Menschen ein Zeichen gegen Rechts gesetzt. Zu der Kundgebung auf dem Altmarkt waren auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gekommen. Zu der Demonstration aufgerufen hatte Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD). Er sprach von 10.000 Teilnehmern. Schubert sagte zum Geheimtreffen der Rechten im November: „Diese Pläne erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte.“ Daher sei es an der Zeit, Gesicht zu zeigen und die Demokratie zu verteidigen. Schubert ist Vorsitzender des Bündnisses „Potsdam! bekennt Farbe“ für eine weltoffene Stadt.
Demonstrierende hielten Plakate hoch mit Aufschriften wie „Potsdam ist bunt“ und „Wir halten zusammen“. „Ich stehe hier als eine von Tausenden von Potsdamerinnen und Potsdamern, die einstehen für Demokratie und gegen alten und neuen Faschismus“, sagte Baerbock der Deutschen Presse-Agentur.

Rechercheergebnisse zu Treffen radikal rechter Kreise
Am vergangenen Mittwoch hatte das Medienhaus Correctiv Rechercheergebnisse zu einem Treffen radikal rechter Kreise veröffentlicht. An dem Treffen in einer Potsdamer Villa hatten im November unter anderem einzelne AfD-Funktionäre sowie einzelne Mitglieder der CDU und der erzkonservativen Werteunion teilgenommen.
Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, bestätigte der Deutschen Presse-Agentur, dass er bei dem Treffen über „Remigration“ gesprochen habe. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Laut Correctiv-Recherche nannte Sellner in Potsdam drei Zielgruppen: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht - und „nicht assimilierte Staatsbürger“.
Grünen-Chef Omid Nouripour forderte Konsequenzen: „Wenn sich Personen treffen, um einen Umsturz oder Deportationen von Millionen Menschen zu planen, dann ist das strafrechtlich zu belangen“, sagte Nouripour der „Welt“. „Und so etwas gehört mit der vollen Härte des Gesetzes bestraft.“ Die Aufgabe aller Demokraten sei es, die AfD klar zu benennen als „Feindin unserer Demokratie, unserer Wirtschaft, unserer Gesellschaft“.
Nach dem Treffen war auch die Debatte über ein mögliches Verbot der AfD wieder aufgeflammt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht einem solchen Antrag jedoch skeptisch gegenüber. „Ich kann die Erfolgsaussichten nicht beurteilen - ein Verfahren würde vermutlich sehr lange dauern“, sagte Steinmeier der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag). Das Staatsoberhaupt äußerte sich zugleich besorgt über den stärker werdenden Rechtspopulismus in Deutschland. „Wenn wir in die Geschichte zurückschauen, stellen wir fest: Extremisten waren immer das Unglück unseres Landes.“
Stark-Watzinger gegen AfD-Verbotsantrag
Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, sagte dem „Tagesspiegel“: „Das würde der AfD nur in die Hände spielen.“ Das Grundgesetz setze für ein Parteiverbot in Artikel 21 hohe Hürden. Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag): „Das Scheitern eines Verbotsantrags vor dem Verfassungsgericht würde die AfD enorm stärken.“ Auch CDU-Chef Merz sagte, er halte davon wenig.
Die AfD wird in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom jeweiligen Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch bewertet, bundesweit gilt sie als Verdachtsfall. Die Partei befindet sich seit Monaten in einem Umfragehoch. Die Brandenburger AfD meldete zum Jahresbeginn einen Zuwachs von rund 700 Partei-Mitgliedern oder fast 50 Prozent für 2023. Auch in Rheinland-Pfalz betrug das Plus im vergangenen Jahr laut dem dortigen AfD-Landesverband 45 Prozent auf 2469 Mitglieder. Landtagswahlen stehen im September in Brandenburg, Thüringen und Sachsen an. In allen drei Ländern liegt die AfD derzeit im Umfragen vorn, zum Teil deutlich.
AfD-Widerstand durch Strack-Zimmermann
Die FDP-Spitzenkandidatin zur Europawahl, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hat eindringlich an ihre Parteifreunde appelliert, laut gegen die AfD ihre Stimme zu erheben. Auch, wenn im privaten, geselligen Kreis jemand ankündige, aus Wut auf die Ampel jetzt die AfD zu wählen gelte: „Stehen Sie auf!“, forderte Strack-Zimmermann beim Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen FDP in Düsseldorf. „Sagen Sie: Bis hierher und nicht weiter.“
Die AfD sei groß geworden, weil die bürgerlichen Parteien zu lange Probleme, vor allem mit der Migration, nicht gelöst hätten. „Wenn eine Partei wie die AfD stärker wird, müssen wir dafür sorgen, dass ihnen die Themen entzogen werden“, forderte Strack-Zimmermann vor rund 1000 Gästen. Der Zulauf zu populistischen Parteien mit extremistischen Positionen müsse gesellschaftlich gestoppt werden. „Je größer der Haufen Scheiße, umso mehr Fliegen sitzen drauf“, warnte die Liberale.

AfD Bayern: Problemfall Rechtsaußen Halemba
Unterdessen ist der bayerische AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Halemba vom Landesparteitag seiner Partei aufgefordert worden, unverzüglich sein Mandat niederzulegen. Ein entsprechender Antrag von 161 Parteimitgliedern fand beim Parteitag in Greding eine Mehrheit von gut 57 Prozent der Stimmen. Halemba ist an die Aufforderung nicht gebunden.
Der Landesvorstand hat unterdessen eine zweijährige parteiinterne Ämtersperre gegen Halemba vorgeschlagen. Das wurde in der Aussprache zu dem Antrag bekannt. Ursprünglich war ein Parteiausschlussverfahren gegen den Würzburger Burschenschafter erwogen worden. Die Prüfung des Sachverhaltes habe aber ergeben, dass die Vorwürfe in Teilen nicht haltbar gewesen seien, hieß es. Halemba gilt als Rechtsaußen in der bayerischen AfD, er wird dem inzwischen offiziell aufgelösten aber noch immer als Netzwerk existierenden Flügel um den Thüringer Landeschef Björn Höcke zugerechnet.
Dem 22-Jährigen wird vorgeworfen, bei der Listenaufstellung für die Landtagswahl im vergangenen Oktober zu seinen Gunsten getrickst zu haben. Die Antragsteller werfen ihm unter anderem auch Meldebetrug vor, weil Parteimitglieder mit Scheinwohnsitzen agiert haben sollen. Gegen den 22 Jahre alten Halemba ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Würzburg unter anderem wegen Volksverhetzung.
dpa
„Mein erster Gedanke war: Wahnsinn“: Klare Worte der Direktorin im Haus der Wannsee-Konferenz
Nach Radikalen-Treffen zu Vertreibung: NRW-CDU will Mitglied ausschließen
Sorge nach Radikalen-Treffen: Steinmeier: „Nicht zulassen, dass Demokratie ins Wanken gerät“