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Neue 7-Tage-Zahlen für NRW: Diese Daten sind jetzt Wegweiser für härtere Maßnahmen
Coronavirus
Das Land NRW hat die 35-Inzidenz abgeschafft. Einen neuen Grenzwert gibt es nicht. Aber für die Bewertung der Corona-Lage gibt es verschiedene Faktoren. Was sind das genau für Daten und Werte?
Das Land Nordrhein-Westfalen hat in seiner aktualisierten Corona-Schutzverordnung, die am Samstag (11.9.) in Kraft tritt, nun auch die letzte Inzidenzschwelle von 35 gestrichen.
In NRW hatte die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen (Sieben-Tages-Inzidenz) eigentlich bereits seit dem 20. August ausgedient. Es gab seitdem nur noch diese eine Schwelle, bei der die Inzidenz überhaupt eine Rolle spielte: Lag sie unter 35, galten die Freiheiten, die Geimpfte, Genesene und Getestete genießen, für alle Menschen ohne Einschränkungen.
Ab sofort schaut man nicht mehr alleine auf die Zahl der neuen Fälle von Corona-Infektionen. Das soll auch bundesweit umgesetzt werden. Daher gibt es ganz konkrete Pläne, den Wert von 50 bei der Sieben-Tages-Inzidenz, ab dem das Infektionsschutzgesetz derzeit noch härtere Schutzmaßnahmen vorsieht, ganz aus dem Gesetz zu streichen.
Neben dem Blick auf die Neuinfektionen soll nun auch die Situation in den Krankenhäusern darüber entscheiden, ob Handlungsbedarf für Schutzmaßnahmen besteht oder nicht. Ganz konkret gibt es dabei zwei Punkte von entscheidender Bedeutung: Die Entwicklung der Zahl der Covid-19-Patienten in den Kliniken im Allgemeinen und die Lage auf den Intensivstationen im Besonderen.
Eine neue Sieben-Tage-Zahl
Hierzu werden wir uns an eine neue Sieben-Tage-Zahl gewöhnen müssen, die Zahl der Hospitalisierungen. Das ist die Zahl von Corona-Patienten, die stationär innerhalb der vergangenen sieben Tage in einer Klinik aufgenommen wurden. Schaut man auf den Verlauf dieses neuen Indikators seit Beginn der Pandemie, so lassen sich sehr gut die drei Corona-Wellen erkennen, die bereits hinter uns liegen.
Auf dem Höhepunkt der zweiten Welle lag der Sieben-Tage-Wert der Hospitalisierungen am 24. Dezember 2020 bei 15,79. Auf den Intensivstationen wurden rund 5.600 Covid-19-Patientinnen und Patienten behandelt, von denen rund 3.000 beatmet werden mussten. Es war die bisher schlimmste Situation in den Krankenhäusern seit Beginn der Pandemie. Die Angst war groß, dass nicht mehr alle Kranken angemessen versorgt werden konnten. Die Lage war in vielen Kliniken extrem ernst, das Personal völlig erschöpft.
Bemerkenswert ist bei dieser zweiten Welle, dass sich auch die Zahl der Todesfälle pro 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen exakt parallel entwickelt hat. Diese Todesfall-Inzidenz erreichte Ende Dezember 2020 mit 7,31 ebenfalls ihren bisherigen Höhepunkt.
An der dritten Welle im Frühjahr 2021 lässt sich dann die Wirkung der Impfungen deutlich ablesen. Obwohl es annähernd ebenso viele Neuinfektionen wie in der zweiten Welle gab, blieb die Hospitalisierungs-Inzidenz deutlich darunter. Der Höhepunkt wurde hier Mitte April mit einem Wert von 9,71 erreicht - fast 40 Prozent weniger als die 15,79 in der zweiten Welle.
Erstaunlich: Auch wenn die Zahl der Corona-Patientinnen und Patienten auf den Intensivstationen und die Zahl der Beatmungspatienten in der dritten Welle fast so hoch war wie in der zweiten Welle, starben lange nicht so viele Corona-Kranke wie um den Jahreswechsel.
Was die Entwicklung bei der Zahl der Todesfälle sagt
Die Todesfall-Inzidenz erreichte auf dem Höhepunkt der dritten Welle Mitte April nur noch einen Wert von 1,98 statt 7,31 in der zweiten Welle. Die Zahl der Todesfälle ist also in der dritten Welle längst nicht mehr ähnlich stark gestiegen wie die Zahl der Aufnahmen in den Krankenhäusern, wie das noch in der zweiten Welle zu beobachten war.
Ganz sicherlich will niemand eine ähnliche Situation erleben wie auf dem Höhepunkt der zweiten Welle Ende 2020, als die Hospitalisierungs-Inzidenz bei 15,91 lag. Auf dem Höhepunkt der dritten Welle lag sie bei 9,71. Derzeit liegt sie bei 1,95 (Stand: Freitag, 10. September), nachdem sie im Juli bis auf 0,38 gesunken war.
Gut möglich, dass die Politik bei einem Wert irgendwo zwischen 5 und 10 irgendwann eine neue Notbremse einbaut. In der neuen Corona-Schutzverordnung für NRW, die bis zum 8. Oktober gilt, ist allerdings erstmal kein neuer Grenzwert vorgesehen.
Ulrich Breulmann, Jahrgang 1962, ist Diplom-Theologe. Nach seinem Volontariat arbeitete er zunächst sechseinhalb Jahre in der Stadtredaktion Dortmund der Ruhr Nachrichten, bevor er als Redaktionsleiter in verschiedenen Städten des Münsterlandes und in Dortmund eingesetzt war. Seit Dezember 2019 ist er als Investigativ-Reporter im Einsatz.
