Die Polizei in NRW will in Pressemitteilungen demnächst immer die Nationalität von Tatverdächtigen nennen - egal, ob es sich dabei um Deutsche oder Ausländer handelt. Der Medien-Erlass für die Polizei werde dahingehend überarbeitet, bestätigte das Düsseldorfer Innenministerium auf Anfrage nach entsprechenden Medienberichten.
Prinzipiell werde die Anweisung für alle Delikte gelten, bei denen der Tatverdächtige zweifelsfrei identifiziert sei. Falls die zuständige Staatsanwaltschaft im Einzelfall aber zu dem Schluss komme, dass die Nationalität in den Informationen an die Medien nicht benannt werden sollte, werde dem Folge geleistet. Die Neuregelung solle Transparenz schaffen, erläuterte das Ministerium. Aus diesem aktuellen Anlass haben wir den folgenden Artikel (vom 01.12.2023) erneut veröffentlicht:
Wer allein die Polizeistatistiken anschaut, muss zum Schluss kommen, dass unser Land ein Problem mit kriminellen Ausländern hat. Wie ist das einzuschätzen? Wir haben NRW-Innenminister Herbert Reul gefragt. Er sagt: „Den hohen Anteil der Ausländer unter den Tatverdächtigen zu verschweigen, bringt nichts. Die Zahlen stehen ja in der Polizeistatistik, die muss man nur erklären.“
Unter anderem habe der hohe Anteil damit zu tun, dass in der Teilgruppe der Flüchtlinge ganz viele junge Männer sind. „Und junge Männer werden völlig unabhängig von der Nationalität häufiger straffällig als junge Frauen“, sagt Reul.
Zudem gebe es Straftatbestände, die nur mit Ausländern zu tun hätten – beispielsweise Verstöße gegen bestimmte Aufenthaltsrechte: „Die kann ein Deutscher gar nicht verüben.“
Schlussendlich, sagt Reul, müsse man feststellen: „Man kann es schon erklären, aber man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass es da bei bestimmten Straftaten Häufungen gibt und um die muss man sich kümmern. Da muss man sich die Frage stellen: Woran liegt das, was ist der Grund? Nicht weil sie Ausländer sind, sondern weil sie junge Männer sind, weil sie in Gruppen unterwegs sind. Straftaten mit Messern passieren sehr häufig in solchen Situationen. Das hat man bei jungen Frauen eher selten.“
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Auf die Frage „Ist das Leben in NRW in den vergangenen Jahren durch den wachsenden Anteil an Ausländern unsicherer geworden?“ antwortet Reul: „Das muss man differenziert betrachten. An welchen Straftaten macht man es fest? Wie sieht es in Städten und auf dem Land aus? Da gibt es ja auch große Unterschiede.“
Spätestens seit den Silvesterkrawallen 2015 in Köln wird heftig darüber gestritten, ob die Polizei die Nationalitäten von Tatverdächtigen nennen soll. Reul vertritt dabei eine sehr klare Position: „Ich halte es nach wie vor für klug, bei Straftaten die Nationalitäten der Tatverdächtigen zu nennen. Ich habe die Sorge, dass die krampfhafte Nicht-Nennung der Nationalität dazu führt, dass die AfD und andere weiter den Unmut schüren nach dem Motto: ,Die verschweigen das nur, weil sie die Wahrheit vertuschen wollen.‘“
Noch gilt eine Regelung aus dem Jahr 2011
Aktuell gilt noch immer die Regelung aus dem Jahr 2011. Danach muss sich die Polizei grundsätzlich auf die Wiedergabe des Sachverhalts beschränken und darf nichts zur Person sagen. „Aber die Wirklichkeit hat sich natürlich weiterentwickelt. Es gibt Behörden, die berichten von sich aus direkt über die Nationalität. Es gibt Behörden, die machen es auf Nachfrage. Der Justizminister macht es auf Nachfrage. Sehr weit auseinander sind wir im Grunde nicht mehr.“
Und warum gibt es dann noch keine einheitliche Linie? „Das ist im Sicherheitsbereich nicht so ganz einfach, aber im Prinzip ist es der richtige Weg“, sagt Reul. Er sei jedenfalls für größtmögliche Transparenz.
Bei diesem Thema müsse man allerdings beachten, dass letztlich zwei Ressorts, das Innen- und das Justizministerium, betroffen seien. Bei einer Straftat sei zunächst die Polizei am Zug, für die das Innenministerium zuständig sei. Und erst wenn die Staatsanwaltschaft einen Fall übernehme, begännen rein rechtlich die Ermittlungen offiziell. Und für Staatsanwaltschaften sei das Justizministerium zuständig.
Bisher hätten sich Innen- und Justizministerium noch nicht auf eine einheitliche Regelung einigen können. „Deshalb stelle ich mir im Moment die Frage, ob wir das für die Polizei vielleicht alleine regeln können. Das ist aber noch nicht entschieden“, sagt Reul.
„Manchmal muss man zwischen zwei Übeln abwägen“
Dass es von Links den Vorwurf gebe, man schüre Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, wenn man die Nationalität nenne, verstehe er, sagt Reul: „Aber manchmal muss man im Leben zwischen zwei Übeln abwägen. Wenn man die Nationalität nennt, könnte das missbraucht werden.“ Aber auch, wenn man sie nicht nenne, könne das missbraucht werden.
„Wenn wir eine polizeiliche Kriminalstatistik machen, ist es selbstverständlich, dass wir auch angeben, wie viele ausländische Mitbürger beteiligt waren. Ich glaube, man muss sich dazu entscheiden, es transparent zu machen, ohne dass man damit die Ressentiments bedient. Einfach sagen, was ist.“
Das gravierendste Problem sieht Reul übrigens an anderer Stelle. „Macht man eine Person identifizierbar, wenn man die Nationalität nennt? Das darf durch unsere Berichterstattung niemals passieren. Den Persönlichkeitsrechtsschutz jedes einzelnen müssen wir wahren. Das berühmte konstruierte Beispiel: Da ist ein kleines Dorf. Da lebt nur ein Ungar und ich sage: Es war ein ungarischer Straftäter. Dann ist klar, wer es war.“
Und was ist mit den Tatverdächtigen, die neben der deutschen noch eine andere Staatsbürgerschaft haben? „Wenn jemand eine doppelte Staatsbürgerschaft hat und verunglimpft wird, dass er gar kein richtiger Deutscher sei, ist das schwierig. Wer einen deutschen Pass hat, ist Deutscher. Wir sagen ja auch nicht: Das ist ein Deutscher und seine Vorfahren kamen aus Polen“, sagt Reul.
Er sei davon überzeugt, sagt Reul, dass man beim Themenfeld Flüchtlinge, Migranten, Ausländerkriminalität nur weiterkomme, wenn man möglichst sachlich diskutiere: „Die Fakten klar benennen, erklären, diskutieren, nichts verschweigen und sich dann um die identifizierten Problemfelder kümmern.“
Wenn man so vorgehe, sei das besser, als wenn man versuche, Probleme runterzuspielen oder totzuschweigen, sagt Reul: „Dadurch liefert man ja nur denjenigen, die Stimmung machen, Argumente. AfD und andere leben ja von Stimmungsmache, Geheimniskrämerei, Vermutungen und Gerüchten. Das kann man nur zerschlagen, wenn man absolut transparent ist.“
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