
Was geht hier vor? Eine Mega-Krise jagt die nächste. Und beim Versuch, zu retten, was zu retten ist, beschwört die Regierung die nächste Krise herauf. Kredite, die für die Bewältigung der Corona-Krise nicht mehr benötigt werden, wollte die Bundesregierung für die Überwindung anderer Krisen (Ukraine-Krieg, Energie- und Klima-Krise) nutzen.
Das hat das Bundesverfassungsgericht verboten. Ja, die Politik hat Fehler gemacht. Aber rechtfertigen sie die Weltuntergangs-Stimmung, die sich gerade über unser Land legt? Es ist Zeit, einige Dinge geradezurücken. Zehn Gedanken dazu:
1. Das Wichtigste zuerst: Uns geht es gut. Wir leben in Frieden und Sicherheit, in unser Haus schlagen keine Raketen ein, wir müssen nicht in Bunkern bibbern. Arbeitskräfte werden überall gesucht. Unsere Kinder gehen in die Kita, lernen in der Schule, besuchen die Uni, können sich eine Lehrstelle aussuchen. Wir haben ein Dach überm Kopf, genug zu essen und zu trinken.
Die Erinnerungslücken der Opposition
2. Die Opposition muss die Arbeit der Regierung kritisch begleiten. Keine Frage. Aber die CDU tut so, als sei die Ampel für alle aktuellen Probleme allein verantwortlich.
Vielleicht sollte sie sich erinnern, dass sie bis vor kurzem 16 Jahre lang in der Regierung saß und mitentschieden hat, was getan wird oder auch nicht angepackt wird. Einiges rächt sich heute. Es gibt keinen Grund, mit Schaum vor dem Mund die Ampel für jedes Problem in Grund und Boden zu stampfen.
3. Die Kredite, um die es geht, waren nicht für überflüssige Kinkerlitzchen gedacht. Sie sollen die Transformation zu einem klimaschonenden Land vorantreiben. Dass das notwendig ist, kann nur bestreiten, wer Scheuklappen aufsetzt, die Energiekrise mit russischem Gas und Öl stoppen will und den Klimawandel leugnet.
Haushaltssperre ja, aber kein „Shut down“ nach US-Vorbild
4. Als Reaktion auf das Urteil verhängte die Regierung eine Haushaltssperre. Das war unausweichlich. Lägen 60 Milliarden Euro nutzlos herum, mit denen man die Lücke hätte stopfen können, hätte man die Kredite ja gar nicht benötigt.
5. Die Haushaltssperre ist kein „Shut down“, wie wir ihn aus den USA kennen. Der Bund bezahlt Gehälter und Rechnungen, genehmigte Projekte laufen weiter. Nur Neues liegt auf Eis.
6. Das Urteil hat auch gute Seiten. Es zwingt, innezuhalten und sich bewusst zu machen: Geld wächst nicht auf Bäumen. Seit fast vier Jahren drängt sich der Eindruck auf, dass wir nie versiegende Geld-Quellen erschlossen haben. 440 Milliarden gegen Corona, 100 Milliarden für die Bundeswehr, über 22 Milliarden für die Ukraine.
Da ist es fast schon Kleinkram, dass die Kosten für den Wechsel von Hartz IV zum Bürgergeld auf – je nach Parteizugehörigkeit – 4,3 bis 10 Milliarden Euro geschätzt werden. Wir haben‘s ja.
„Verzicht ist bei Politikern etwa so beliebt wie Fußpilz.“
7. Privatleute würden sagen: Uns fehlt Geld, wo können wir sparen, was streichen oder kürzen wir? Verzicht ist bei Politikern allerdings etwa so beliebt wie Fußpilz. In ihren Köpfen kreisen andere Fragen: Können wir – notfalls per Grundgesetzänderung – tricksen und doch neue Kredite aufnehmen? Sollten wir die Schuldenbremse ignorieren?
8. In dieser Lage bringt Friedrich Merz eine Neuauflage der Großen Koalition ins Spiel. Über Neuwahlen wird spekuliert. Mag sein, dass die Ampel zerbricht, aber fest steht: Neuwahlen lösen kein einziges Problem. Im Gegenteil.
Ein Wahlkampf bremst rasches, jetzt absolut notwendiges Handeln. Und was, wenn die AfD gewinnt? Denkbar ist das, siehe Niederlande. Wie wäre es, wenn alle demokratischen Parteien jetzt ausnahmsweise mal an einem Strang und gemeinsam die Karre aus dem Dreck ziehen?
„Wer arbeiten kann, sollte arbeiten“
9. Der erste umsetzbare Vorschlag in der Urteils-Krise kam von der Ampel: Die wegen Corona gekappte Mehrwertsteuer für die Gastronomie soll wieder auf die vorher üblichen 19 Prozent steigen. Das wurde fälschlicherweise als Sparvorschlag tituliert, dabei geht es um Mehreinnahmen, nicht um Minderausgaben.
Einen echten Sparvorschlag machte CDU-Chef Merz und die FDP assistierte: Er will Sozialleistungen kappen. Das ist zwar nicht besonders originell, aber in Teilen hat er recht: Wer arbeiten kann, sollte arbeiten und seinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Der Staat sollte eingreifen, wenn jemand in unverschuldeter Not ist, nicht aber, wenn jemand arbeiten könnte, es aber nicht will.
Und, ein abgegriffener Slogan und trotzdem wahr: Arbeit muss sich lohnen. Es muss mehr Geld übrig bleiben als wenn jemand nur von Unterstützungsgeldern lebt. Wo die Gesetze das nicht gewährleisten, müssen sie geändert werden.
10. Was ich in der ganzen Diskussion vermisse, ist der echte Wille der Politik- und Verwaltungs-Elite, bei sich selbst zu sparen. Nur ein Beispiel: Das Personal in den Ministerien bei Bund und Ländern ist in den letzten Jahren extrem gewachsen. Das muss sofort gestoppt und zurückgedreht werden.
Es gibt viel zu tun. Es muss nur getan werden. Jetzt.
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