"Nachthelle" hat Weltpremiere beim Filmfest München

Interview mit Co-Autor Carsten Happe

Der Spielfilm „Nachthelle“ hat am Sonntag (29. Juni) beim Filmfest München nicht nur Weltpremiere, er geht auch ins Rennen um den Förderpreis Neues Deutsches Kino. Einer der Hauptdarsteller: Benno Fürmann. Regie führte der ehemalige Münsteraner Florian Gottschick – es ist sein Abschlussfilm an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam. Das Drehbuch schrieb er mit Carsten Happe: Münsteraner, Mitarbeiter der Filmwerkstatt und Mit-Organisator des Filmfestivals Münster. Redakteurin Sabine Müller sprach mit Carsten Happe übers Filmemachen, die „Nachthelle“ und was die Einladung zum Filmfest bedeutet.

MÜNSTER

, 26.06.2014, 19:17 Uhr / Lesedauer: 4 min

Genau. „Bizarre Love Triangle“ hieß er und Wilsberg-Darsteller Leonard Lansink hat mitgespielt.

Das war eine Dreiecksgeschichte mit einem Lehrer, der sich in eine Schülerin verliebt.

Nein, nein, er tauchte als Privatdetektiv Wilsberg auf, weil es einen Mord gab. Wir haben sogar den damaligen Oberbürgermeister Berthold Tillmann und den Regierungspräsidenten Jörg Twenhöven zum Mitmachen überreden können. Sie spielten zwei Polizisten. Der Film war 20 Minuten lang und lief 2002 beim Filmfestival in Münster. Irgendwo gibt es den bestimmt noch, in einem Giftschrank  ...

Wir sind Freunde geworden, haben einige gemeinsame Projekte gestemmt und uns auch nicht aus den Augen verloren, als er im Jahr 2007 nach Berlin zog und an die Filmhochschule in Potsdam ging. Ich erinnere mich noch genau, als er mir das erste Mal von der „Nachthelle“ erzählte. Wir standen am Ostkreuz in Berlin und warteten auf die S-Bahn. Da sagte er, er habe eine Idee für einen Film, wo zwei Paare gemeinsam ein Wochenende auf dem Land verbringen und die Beziehungskonstellationen völlig durcheinander geraten. Eine besondere Dynamik solle entstehen, weil es sich um ein Hetero- und ein schwules Männerpaar handelt.

Nein, das war erst nur die Idee. Dann habe ich lange nichts mehr davon gehört, doch eines Tages fragte mich Florian, ob ich nicht dazustoßen könne, er stecke in einer Sackgasse und wüsste mit dem Stoff nicht recht weiter. Also haben wir uns ein Wochenende lang hingesetzt und ein Brainstorming gemacht. Und da kamen wir auf die Idee mit verschiedenen Zeitebenen im Film. Unsere Hauptdarstellerin Anna, gespielt von Anna Griesebach, reist 25 Jahre zurück in die Vergangenheit.

Sie macht im Grunde eine doppelte Zeitreise. Sie verbringt ein Wochenende mit ihrem jüngeren Freund in ihrem Heimatdorf. Ihr Exfreund ist an dem Wochenende auch dort – mit seinem neuen Partner. Sie wollen ein letztes Mal den Ort ihrer Kindheit und Jugend in der DDR sehen, denn das Dorf soll abgerissen werden und dem Tagebau Platz machen. Doch bevor die Bagger anrollen, wird eine alte Schuld von Anna zu Tage gefördert. Unser Clou dabei: Anna gerät durch einen Unfall in eine Zeitschleife. Wir nehmen sie so mit auf eine Reise zurück in die DDR, in den Sommer vor 25 Jahren, an die Stätte ihrer Schuld.

Das hat fast anderthalb Jahre gedauert. Florian und ich haben sehr viel geskypt, Videokonferenzen abgehalten und diskutiert.

Es gab eher den Moment: Jetzt können wir damit rausgehen, uns an die Öffentlichkeit wagen. Doch das Buch war noch lange nicht fertig, es gab immer noch Änderungen, auch während des Drehs, weil die Struktur der Zeitebenen recht kompliziert ist. Das ist ja sehr surreal und mystisch. Wir hatten zu Anfang tatsächlich Sorge, dass wir diese Idee nicht vermitteln können.

Ja, sehr schnell sogar. Sie und der Kamermann waren dann auch bei unseren Videokonferenzen mit dabei. Denn unsere Ideen mussten ja umsetzbar und vor allem bezahlbar sein.

Es ist ein Low-Budget-Film mit einem knapp sechsstelligen Budget. Gefördert wurde er von der Hochschule für Film und Fernsehen, denn es ist ja Florians Diplomfilm als Regisseur. Der Sender rbb kam dazu und das Medienboard Berlin Brandenburg.

Im vergangenen Sommer in der Lausitz, kurz vor Cottbus. Da gibt es riesige Tagebaustellen. Fünf Wochen wurde dort gedreht, ich konnte aber nur drei Tage dabei sein, weil ich mitten in den Vorbereitungen für das Filmfestival in Münster steckte.

Florian Gottschick hatte schon einmal einen kleinen Imagefilm mit Anna Griesebach gedreht. Und sie ist mit Benno Fürmann befreundet. Der wollte eigentlich den Sommerurlaub mit seiner Tochter verbringen, aber zu einem Dreh mit Freunden konnte er nicht Nein sagen. So war er dabei. Obwohl es ja nicht viel Geld bei diesem Film gab.

Ich habe die Rohfassung gesehen, noch ohne Musik. Aber es ist schon sehr toll und spannend. Man ist aber auch betriebsblind, hat so viel Material und so viele Versionen im Kopf, da kann man vieles nicht mehr objektiv beurteilen. Doch bei vielen Szenen hat es mich total gepackt und ich war vollkommen im Film abgetaucht – obwohl ich alles so gut kenne. Und das ist, glaube ich, ein gutes Zeichen.

Erstmal ist es überhaupt toll, dass der Film beim Filmfest läuft und wir dabei sein können. Wir hatten es so erhofft und erträumt. Dass das geklappt hat, ist ein wahnsinniger Erfolg. Schlecht stehen die Chancen nicht. 16 Filme laufen in der Reihe Neues Deutsches Kino, aber nicht alle sind nominiert. Vier Preise werden vergeben. Am 4. Juli wissen wir mehr, da ist die Preisverleihung.

Wir hoffen natürlich, den Film noch bei anderen Festivals zeigen zu können, auch in Münster – und dass er einen Kinoverleih bekommt. Durch die Beteiligung des rbb läuft er auf jeden Fall auch im Fernsehen. Vielleicht nächstes Jahr im Herbst.

Das ist der Titel eines Gedichts von Johann Gabriel Seidl, vertont von Franz Schubert. Vor allem die letzte Strophe passt gut zum Film: „Ich fass’ in meinem Herzenshaus/ Nicht all’ das reiche Licht,/ Es will hinaus, es muß hinaus,/ Die letzte Schranke bricht.“  

  • Das 32. Filmfest München findet vom 27. Juni bis 5. Juli statt. Der Film „Nachthelle“ hat am Sonntag (29. Juni) um 22 Uhr im ARRI Kino in München seine Uraufführung in der Reihe „Neues Deutsches Kino“.
  • Der Förderpreis Neues Deutsches Kino ist mit insgesamt 70.000 Euro dotiert. Es gibt vier Preise: für den besten Nachwuchsregisseur, Nachwuchsproduzenten, Nachwuchsautor und Nachwuchsschauspieler.
  • Die Jury ist dreiköpfig: Sherry Hormann, Peter Herrmann und Max Moor.

 

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