Nabucco richtet ein Blutbad in der Botschaft an

Theater Dortmund

Mit Verdis „Nabucco“ hat sich der Opernintendant Jens-Daniel Herzog am Samstag aus Dortmund verabschiedet. So viele Buh-Rufe wie in seiner 15. und letzten Inszenierung im Opernhaus hat er jedoch noch nie bekommen.

Dortmund

, 11.03.2018, 15:56 Uhr / Lesedauer: 2 min
Der verwundete König Nabucco (Sangmin Lee, Mitte) steht zu seiner Tochter Fenena (Almerija Delic). Foto: Jauk

Der verwundete König Nabucco (Sangmin Lee, Mitte) steht zu seiner Tochter Fenena (Almerija Delic). Foto: Jauk

Dabei war das keine Inszenierung nach dem Motto „Augen zu und durch“, sondern eine in weiten Teilen spannende Modernisierung. Denn dieses Spiel um Liebe und Hass, um Macht und Ohnmacht zwischen Israeliten und Babyloniern ist eine Choroper und fast zu statisch, um sie szenisch zu zeigen.

Herzog bringt auf der Drehbühne die beiden Spielstätten, den Tempel in Jerusalem und Babylon, dicht zusammen. Die Geiselnahme in der amerikanischen Botschaft von 1979 bis 1981 in Teheran habe ihn inspiriert, hatte der Regisseur zuvor erklärt.

Aber man braucht Fantasie, um das zu erkennen. Und religiöse Konflikte sind heute mindestens so aktuell wie vor 40 Jahren. Warum dann nicht den Mut haben, das Stück gleich 2018 spielen zu lassen?


Schreibtisch-König


Nabucco ist bei Herzog ein Schreibtisch-König, der im abgewetzten Sessel Todesurteile unterschreibt. Wie alles im Bühnenbild von Mathis Neidhardt und in den Kostümen von Sibylle Gädeke schäbig aussieht. Der optische Verfall geht einher mit dem Verfall der Macht.

Im Tempel, in dem die Israeliten gefangen gehalten werden, plätschert ein Brunnen, kreist eine Bauchtänzerin mit den Hüften. So hübsch, so gut.

„Rauchen verboten“ steht in persischer Schrift an den Fluren der Büros, in denen die Macht aus Maschinengewehren pustet und Nabuccos Tochter Abigaille (Gabrielle Mouhlen) nach der (symbolischen) Krone greift. Bassist Sangmin Lee sieht als Nabucco so aus, wie er auch in den beiden anderen Verdi-Inszenierungen von Herzog („Don Carlo“ und „Otello“) ausgesehen hat: blutverschmiert.


Glänzende Dortmunder Philharmoniker


Dass dieses Drama in den Untergang toben muss, machen die glänzenden Dortmunder Philharmoniker vom ersten Ton an der deutlich. Obwohl Dirigent Motonori Kobayshi auch die weichen, sehnsuchtsvollen Charakterzüge der Figuren immer wieder sehr schön herausstellt – hervorragend im berühmten Gefangenchor.

Ein glückliches Ende mit der Befreiung der Juden, wie Verdi es vorgesehen hat, kam für Herzog nicht infrage. Bei ihm sterben alle in einer Maschinengewehrsalve.


Vieles bleibt offen


Weil er das Publikum nicht um den schönen Schlusschor betrügen will, inszeniert er den als Traum von Nabucco im Rollstuhl. Ein alter Theatertrick, der hier zu aufgesetzt wirkt.

Am Schluss bleiben zu viele Fragen offen: Auch, warum der König gestürzt ist, warum Nabucco den Verstand verloren hat, erklärt sich nicht schlüssig. Denn der Blitz, den die Titelfigur bei Verdi trifft, lässt sich in Herzogs Kulisse eben nicht inszenieren.


Grandiose Sänger


Was diesen Dortmunder „Nabucco“ zum Ereignis macht, ist der grandiose Gesang des Opernchors und des Luxus-Sängerensembles mit Sangmin Lee als Nabucco, in dessen mächtigem Bariton das Drama lodert, Dortmunds Bayreuth-Sänger Karl-Heinz Lehner, der einen gewaltigen, aber hochkultivierten Zaccaria singt, der kraftvolle Verdi-Tenor Thomas Paul als Ismaele und Mezzo Almerija Delic, die großartig die hilflose Seite der Fenena zeigt. Das Ereignis ist Gastsopranistin Gabrielle Mouhlen als dramatische Abigaille, die die Rachelust der Tochter mit leuchtender Leidenschaft füllt.

Nach sieben Jahren hinterlässt Herzog die Dortmunder Oper musikalisch bestens bestellt. An das großartige Sängerensemble anzuknüpfen, wird die Herausforderung für den neuen Intendanten Heribert Germeshausen sein. Und wenn jetzt mal andere inszenieren, ist das auch schön.

Termine: 16./22./25.30.3., 11./15./20./28.4., 5./ 13.5.; Karten: Tel. (0231) 502 7222.www.theaterdo.de