
Bis zu fünf Meter groß wird die Stabpuppe der Königin der Nacht. Die Sängerin (Antonina Vesenina) steht davor (zusammen mit den beiden Puppenspielern und den drei Damen) etwas im Dunkeln. © Björn Hickmann/ stage picture
Mozarts „Zauberflöte“ bezaubert als Oper wie aus einem Märchenland
Opernpremiere in Dortmund
Erst vor sechs Jahren hat in Dortmund die letzte Inszenierung der „Zauberflöte“ Premiere gefeiert. Aber die Neuinszenierung mit riesigen Puppen im Opernhaus ist einfach sehr besonders.
Die Dortmunder Oper hat seit 2018, seitdem Heribert Germeshausen Intendant ist, fast immer ein begeistertes Publikum. Aber der Jubel nach der „Zauberflöte“ am Samstag im Opernhaus war außergewöhnlich.
Das Publikum sprang nach dem Schlussakkord der Mozart-Oper geschlossen auf, schrie Bravo und jubelte minutenlang. Mit dieser zauberhaften Inszenierung ist dem Hausregisseur Nikolaus Habjan ein großer Wurf gelungen.
Neckische Zankweiber liefern beste Komödien-Unterhaltung
Habjan ist Österreicher und die kennen ihr „Zauberflötchen“ ganz genau. Mit einer sehr feinen Handschrift lotet der 35-Jährige aus, was subtile Ironie, pralles Wiener Volkstheater, geheimnisvolles Mysterium oder Freimaurer-Denken ist.
So sind die drei Damen (Heejin Kim, Hyona Kim und Maria Hiefinger) neckische Zankweiber, die perfekt in ein Volkstheater passen. Das ist beste Komödien-Unterhaltung – wie sie auch Papageno bietet. Morgan Moody spielt und singt den Spaßvogel wie auch schon in der Dortmunder Disney-Zauberflöte 2016 hinreißend.
Es macht Riesenspaß ihm zuzuschauen und zuzuhören. Und wie sich sein Federkamm und Pfauenflügel am Schluss spreizen, wenn er um Papagena balzt, ist hinreißend.
Fast fünf Meter groß ist die Königin-Puppe
Habjan stellt Hell- und Dunkel-Welten, den architektonisch gradlinig gebauten Palast und einen Märchenwald, Menschen und Puppen gegenüber. Königin, Sarastro, Schlange und drei wilde Tiere sind eindrucksvolle Stab-Klappmaulpuppen (Puppenbau: Nikolaus Habjan, Marianne Meinl), die zwei Puppenspieler (Manuela Linshalm und Bruno Belil) virtuos bewegen.
Bis zu fünf Meter groß erhebt sich die Königin bei ihrer ersten Arie vor dem Sternenhimmel. Einziger Nachteil: Die vorzügliche Sängerin der Figur (Antonina Vesenina) steht zu sehr im Dunkeln.
Diese Inszenierung ist liebevoll bis ins kleinste Detail ausgestattet
Sarastro ist ein (an Parkinson erkrankte) weiser, alter Mann im Rollstuhl. Und die Gesichter und Riesenhände dieser Puppen sind so sprechend.
Liebevoll bis ins kleinste Detail ist alles ausgestattet, was auf der Drehbühne kreist. Die Biester, die Tamino mit der Flöte besänftigt, tauchen in dem geheimnisvollen Wald im Nebel wie die Hobbits auf – nur größer. Und spannend ist auch die Interaktion von Sarastro mit seinem Sänger – wieder eine neue Ebene in dieser „Zauberflöte“, in der es so viel zum Schauen gibt.
Das Sänger-Ensemble ist wie immer vortrefflich
Gesungen wird, wie in der Dortmunder Oper üblich, vortrefflich. – Von einem Ensemble, das nicht den leichten Mozart-Ton pflegt. Antonina Vesenina ist eine koloratursichere Königin, deren Sopran aber fast Verdi-Kraft hat.
Denis Velev ein starker, in sich ruhender Sarastro-Bass. Sungho Kim singt den Tamino mit dunklen Tenorfarben, und auch Tanja Christine Kuhn schickt ihre Pamina schon auf den Weg ins Charakterfach.
Die Dortmunder Philharmoniker spielen im erhöhten Graben; Motonori Kobayashi dirigiert flott und legt viel Wert auf einen eleganten Klang.
Am Ende siegen die Menschen in dieser Zauberwelt
Am Schluss siegen die Menschen. Pamina und Tamino zerstören die Puppen, nachdem sie die Prüfungen (mit schönen Lichteffekten) bestanden haben. Bei dieser „Zauberflöte“ stimmt alles, das ist Teamarbeit von Technik, Sängern, Musikern und Puppenspielern, in der alles perfekt ineinandergreift. Ein rundum schöner Abend.
Und auch die Fassung für Kinder kam hervorragend an:
Nikolaus Habjan hat nicht nur dem erwachsenen Opernpublikum in Dortmund eine märchenhaft schöne „Zauberflöte“ geschenkt, er hat auch eine wunderbare Fassung für Kinder ab acht Jahren kreiert.
„Das Geheimnis der Zauberflöte“ feierte – ebenso bejubelt – am Sonntagnachmittag Premiere im Dortmunder Opernhaus.
Zwei Puppenspieler führen in die Handlung ein
In der 75-minütigen Kindervariante ist fast alles so wie in der zwei Stunden längeren Version für Erwachsene: Solisten, Puppen, Orchester, Bühnenbild, Kostüme.
Die Puppenspieler Manuela Linshalm und Jonny Hoff führen in die Geschichte ein, unterbrechen auch, um die Handlung zu erklären – und auch um klarzustellen, dass Sarastro ganz schön frauenfeindlich ist. Und in der Kinderoper wird noch deutlicher als in der für Erwachsene, dass in diesem Mozart-Werk die Frauen stärker sind als die Männer – nicht nur, wenn es darum geht, ein schweres Glockenspiel zutragen.
Alle wichtigen Arien sind da
Fast alle gesprochenen Dialoge sind gestrichen. Aber die wichtigen Arien sind da, mal um eine Strophe oder den Mittelteil gekürzt. Nur Pamina darf ihre Arie, in der sie sich den Tod wünscht, nicht singen.
Auch die Selbstmord-Versuche von Pamina und Papageno gibt es in der Kinderfassung nicht. Denn: „In dieser Oper stirbt niemand“, sagt Puppenspielerin Manuela. Auch die Schlange, die Tamino im Wald bedroht, wird nicht umgebracht, sondern nur verzaubert.
Papageno kennen alle
Diese Fassung fesselte die Kinder – mit viel Theaterzauber, dem geheimnisvollen Märchenwald und dem Spiel der Sänger und Puppen. Und auch mit der Musik. „Das kenne ich“, riefen einige Kinder begeistert, als Papageno seine Arie „Der Vogelfänger bin ich ja“ anstimmte. Die Solisten waren fast dieselben wie in der Fassung für Erwachsene. Mit Sungho Kim hörten die Kinder eine andere Königin der Nacht (mit schlankem, biegsamen Sopran) und mit Margot Genet eine andere Papagena.
Begleitet und beobachtet seit 35 Jahren für die Zeitung das Kulturleben in Dortmund und in der Region.
