
Patrick Hahn ist mit 27 Jahren der jüngste Generalmusikdirektor des deutschsprachigen Raumes. Er führt das Klangforum Wien sicher durch die komplexen Partituren. © Christian Palm
Ruhrtriennale in Essen: Klangforum Wien vertont Moosgeflecht
Ruhrtriennale
Bei dem Konzert „Organicum“ wurden am Sonntag (14. August) fünf zeitgenössische Komponisten aufgeführt. Gerade im Bereich der Klangerzeugung wählen sie ungewöhnliche Methoden.
Ungefähr drei Minuten lang klicken die Musiker des Klangforum Wiens einfach nur Silbermünzen aufeinander, mal im Einklang, mal gegeneinander ankämpfend. Ganz unterschiedliche Wege der Klangerzeugung haben die Komponisten gewählt, die im Zuge des Konzerts „Organicum“ bei der Ruhrtriennale am Sonntagabend im Salzlager der Zeche Zollverein aufgeführt wurden.
Zwischen Chaos und Ordnung
Unter der Leitung des jungen Generalmusikdirektors der Wuppertaler Bühnen, Patrick Hahn, entfesselt das Ensemble wilde und aufwühlende Klangwelten. Taumelnden und leiernd engen Melodieläufen stellen sie immer wieder klare rhythmische Elemente gegenüber. Insgesamt fünf Kompositionen, unter anderem eine des Griechen Iannis Xenakis, spielt das Wiener Ensemble.
„Moos“ – so heißt das Stück der deutschen Komponistin Sarah Nemtsov mit ungewöhnlicher Instrumentenanordnung. Die spärliche Streicherbesetzung sitzt in einer Reihe mit den Blechbläsern. Zentrum des Geschehens ist der Schlagzeuger. Insgesamt sind es vier Grüppchen. Alle Instrumente werden mit Mikrofonen abgenommen. Über Pedale kontrolliert ein Musiker der Partitur folgend die Lautstärke der einzelnen Instrumentengruppen. Durch die Mikrofonabnahme treten die hohen Frequenzen deutlich hervor und erschaffen sich überlagernde Klangtexturen, gleich einem Moosgeflecht.
Urgewaltige Klangmeditation
Kaum greifbar sind die Tonfolgen in Lucia Dlugoszewskis „Fire Fragile Flight“. Mit hoher Präzision lässt das Wiener Ensemble sie anschwellen und vor ihrer vollen Entfaltung einstürzen oder wegrutschen. Immer zerfahrener und unruhiger wird das Klangbild.
Gegengezeichnet wird diese zerbrechliche Komposition von Michael Pelzels „Pavlopetri“. Archaisch und urgewaltig pendelt das Stück um einen einzelnen Ton. Das ganze erinnert an eine Klangschalen-Meditation. Durch kleine Abweichungen in den Streichern, die während des Stücks durch den Saal wandern, werden immer wieder Reibungen hervorgerufen. Dann erstrahlen einige gleißende Akkorde, bevor die Komposition friedlich ausklingt. Nach ausgiebigem Applaus entschwindet das Publikum beseelt in die Nacht.
Mahad Theurer, geboren 1989 in Witten, ist studierter Musikjournalist, davon abgesehen ist er stark sportbegeistert und wohnt als Schalke-Fan manchmal einfach in der falschen Stadt. Aber Ruhrgebietscharme, den es zu beschreiben gilt, haben Dortmund und Umgebung auch reichlich.
