Mit verbalen Waffen gegen kriegerische Gewalt
"Diplomatie" – Ein Lehrstück im Kino
Eiffelturm, Notre-Dame, Louvre, die Brücken über die Seine - alles ist vermint. Die Sprengung kann jederzeit erfolgen. Paris soll brennen. Führerbefehl. Es kommt anders. Oscar-Preisträger Volker Schlöndorff ("Die Blechtrommel") geht der Sache in seinem Drama "Diplomatie" auf den Grund – und überrascht mit einer begeisternden Interpretation historischer Ereignisse.

Am Tag der Befreiung von Paris: General von Choltitz (Niels Arestrup) und Konsul Nordling (André Dussolier).
Der Diplomat, der von der bevorstehenden Zerstörung der Metropole durch die Besatzer weiß, hat das Hauptquartier des Stadtkommandanten über eine Geheimtreppe erreicht und verwickelt den Herrn über Paris in ein Gespräch über die bevorstehende Aktion. Nordlings Ziel ist die Rettung der Stadt, die bereits von den Amerikanern belagert wird. „Diplomatie“ ist ein Kammerspiel. Nur wenige Außenszenen unterbrechen den aufregenden Dialog zwischen den Protagonisten. Ein gewagtes Spiel mit einem Sujet, das eher auf spektakuläre Bilder setzt. Ein Spiel, das Schlöndorff mit Bravour gewinnt. Zu verdanken ist das seiner klugen Regie, der brillanten Leistung der Hauptdarsteller und einer Kamera, die sie umwirbt, als wolle sie bei der anstehenden welthistorischen Entscheidung erster und wichtigster Zeuge sein.
Niels Arestrup ist als General weit weg von zackigen Kommiss-Attitüden, stattdessen gibt er seiner Figur das menschliche Antlitz eines Mannes, dessen Fassade aus soldatischem Stolz und blinder Befehlstreue erste Risse bekommt. André Dussolier trägt seine Bitten und Mahnungen als Diplomat eher mit devoter Geste vor, statt im sicheren Wissen seiner moralischen Überlegenheit. Erst in der Schlussszene wird deutlich, wie grandios und raffiniert er als Bittsteller vorgegangen ist – und nicht umsonst hat Schlöndorff diesen scheinbar unspektakulären Titel gewählt. Es gibt wohl nur wenige Beispiele, in denen über die sensible Arbeit eines Diplomaten derartig konzentriert und spannungsgeladen erzählt worden ist. Dabei hat das Gespräch zwischen von Choltitz und Nordling so nie stattgefunden. Ein sehenswertes Lehrstück.