
Nicht an jeder Ladestation so wie auf dem Foto im schwedischen Löddeköpinge kann der Wohnwagen am Haken des Autos bleiben. Das erspart aber zusätzliche Zeitverluste beim An- und Abkuppeln des Anhängers beim Ladevorgang. Das erspart aber zusätzliche Zeitverluste beim An- und Abkuppeln des Anhängers beim Ladevorgang. © Guido Kratzke
Mit Elektroauto und Wohnwagen vom Westmünsterland bis nach Schweden
Selbstversuch E-Auto
Es gibt Gerüchte, die halten sich hartnäckig. Eines davon ist, dass Elektroautos und Wohnwagen in Kombination nicht zueinander passen. Guido Kratzke aus hat es ausprobiert...
Es gibt Gerüchte, die halten sich an den Stammtischen des Landes hartnäckig, meint Guido Kratze aus Gronau. Eines davon ist, dass Elektroautos und Wohnwagen in Kombination nicht zueinander passen. Der Redakteur hat den Selbstversuch gewagt – und seine Erfahrungen aufgeschrieben:
„Ich habe es gehalten wie die Hummel: Von ihr heißt es, nach den Grundsätzen der Aerodynamik sei sie nicht in der Lage zu fliegen. Aber weil sie das nicht weiß, hebt sie dennoch ab. Nach einer dreiwöchigen Wohnwagentour nach und durch Schweden gibt es mein Fazit schon vorneweg: Es geht – und sogar recht gut. Aber anders, als viele es in den vergangenen Jahren mit Dieseln oder Benzinern als Zugfahrzeuge gewohnt waren.
In den zurückliegenden Jahren festigte sich bei mir und meiner Frau der Wunsch, nach Schweden zu reisen. Ein Wohnmobil kam für uns aktuell nicht infrage, da es bislang noch keine verfügbaren Fahrzeuge mit Batterieantrieb gibt, auf die wir mittlerweile im Alltag setzen. Mit Zelt oder Dachzelt zu verreisen, erschien meiner Frau nicht die Optimallösung.
Und immer wieder in Ferienhäusern Koffer ein- und auspacken, mutete auch nicht sonderlich attraktiv an, zumal wir durch unsere zwei Hunde ohnehin nur eine eingeschränkte Auswahl gehabt hätten. Also reifte die Idee zum Verreisen mit dem Wohnwagen.
Allen gegenteiligen Aussagen zum Trotz, gibt es mittlerweile die Möglichkeit, bei einigen Elektrofahrzeugen eine Anhängerkupplung auch für mehr als einen Fahrradträger mitbestellen oder zumindest nachrüsten lassen zu können.
Wir entschieden uns für einen relativ kleinen, leichten und niedrigen Hubdach-Wohnwagen, der mit Bad und Toilette, Küche, bequemen Einzelbetten und Markise, aber auch mit einem Mover, um ihn auch im abgekuppelten Zustand einfach bewegen zu können, komplett ausgestattet ist. Ein gebrauchtes Modell des französischen Herstellers Rapido vereinte all diese Anforderungen.
Dachbox für zusätzliches Gepäck
Mit 750 Kilo Leergewicht war der Wohnwagen angepriesen worden, gute 900 zeigte die Waage bei der Überprüfung an – da mussten wir angesichts eines zulässigen Gesamtgewichts von 950 Kilo schon überlegen, welches Gepäck wohin kommen sollte. Wir entschlossen uns dazu, eine Dachbox auf dem Auto als zusätzlichen Stauraum zu nutzen.
Die führt allerdings zu einem weiteren Defizit, dass der Elektroautofahrer im Blick haben sollte. Weniger das Fahrzeug- oder Gespanngewicht, als vielmehr der Luftwiderstand ist jenseits der niedrigen Fahrgeschwindigkeiten entscheidend für den Verbrauch. Und der bestimmt das Vorankommen.
230 Kilometer mit einem vollen Akku
Zwischen 30 und 60 Prozent betrug der Aufschlag beim Strombedarf. Steigungen, Regen und Gegenwind lassen ihn emporschnellen, Gefälle sorgen dank der Rekuperation für zurückgewonnenen Strom im Akku.
In der Praxis bedeutete das für uns, mit einem vollen Akku gute 230 Kilometer voran zu kommen. Die Etappenlänge ist aber auch immer von den Standorten der Schnellladesäulen abhängig. Als Fahrer eines Tesla Model S bedeutete dies für mich, dass ich nach knapp zweieinhalb Stunden Fahrt bei Bremen den ersten Tesla-Ladepark – genannt Supercharger – anfuhr. 40 Minuten gab der Bordcomputer an, sollte es dauern, um wieder 80 Prozent im Akku zu haben, der dann wieder knapp 200 Kilometer Vorankommen ermöglicht.
Pause nach gut zwei Stunden
Die Rechnung festigte sich auf den rund 3400 Kilometern unserer Rundreise: Nach gut zwei Stunden Fahrzeit eine runde halbe Stunde Zeit zum Laden.
Das ist es definitiv, was den Unterschied zwischen einem Elektroauto und einem Verbrenner ausmacht. Alle 500 Kilometer nur kurz zum Nachtanken anzuhalten, um dann direkt weiterzufahren – das funktioniert nicht. Aber es hat einen angenehmen Nebeneffekt: Man reist entspannt, kommt ausgeruht ans Ziel.

Wer mit dem Wohnwagen reist, kann diesen auch mal auf dem Platz stehen lassen und Ziele in der Nachbarschaft ohne „Balast“ ansteuern – so wie die bekannten Windmühlen auf der Insel Öland. © Guido Kratzke
Wer zudem die Pausen nutzt, um in ihnen mit den Hunden eine gemütliche Gassi-Runde zu drehen oder eine Mahlzeit zu sich nimmt (dank Wohnwagen ist ja alles dabei oder findet sich in der Nachbarschaft der Ladesäulen), der empfindet das auch nicht als verlorene Urlaubszeit.
Laden auch auf Campingplätzen
Am Ziel ist das Laden in der Regel auch kein Problem. Überall, wo sich eine Steckdose befindet, kann theoretisch geladen werden. Immer mehr Campingplatzbesitzer bieten das auch an – teilweise sogar zum Selbstkostenpreis. Alternativ kann auch der Wohnwagen aus dem Akku des Pkw mit Strom versorgt werden, was zusätzliche Möglichkeiten bei der Auswahl der Übernachtungsplätze eröffnet.
Mit einem solchen Gespann unterwegs zu sein, das fördert auf jeden Fall die Kommunikation. Kein Tag verging, an dem wir nicht an einer Ladestation oder auf einem Campingplatz auf die Kombination von Wohnwagen und Elektroauto angesprochen wurden.
Plätze für Gespanne planen
Auffällig ist noch ein weiterer Aspekt: Die Schnellladeparks, die es mittlerweile gefühlt an jeder zweiten Autobahnausfahrt von irgendeinem Stromanbieter gibt, sind im Regelfall nicht auf Gespanne eingestellt. Oft ist es zum Laden erforderlich, den Anhänger abzukuppeln und ihn auf einem anderen Parkplatz während des Ladevorgangs abzustellen. Daran sollten die Planer solcher Anlagen in Zukunft auch denken.
Denn wir haben festgestellt: Es gibt auch andere E-Autofahrer, die bereits jetzt mit (Wohn-)Anhängern unterwegs sind. Und es werden zeitnah mehr werden. Entgegen aller Stammtisch-Gerüchte.“