
Jochen Albers ist Sprecher der katholischen Altenheime im Kreis Borken. Er hat lange das Henricus-Stift in Südlohn geleitet, jetzt führt er eine Einrichtung in Bocholt. © Horst Andresen
Jochen Albers: Personalmangel belastet Altenheime – „Es wird nicht besser“
Pflege im Kreis Borken
In der Pflege ist nur eines beständig: „Uns gehen die Kunden nicht aus“, sagt Jochen Albers, Leiter des Guten Hirten in Bocholt, einer Einrichtung von Haus Hall aus Gescher.
Jochen Albers ist seit 26 Jahren als Kaufmann in Seniorenheimen im Kreis Borken tätig, er fungiert als ehrenamtlicher Sprecher der katholischen Altenheime im Kreis Borken sowie dieser Einrichtungen auf Bistumsebene. Der 53-Jährige ist Leiter des Guten Hirten in Bocholt, einer Einrichtung von Haus Hall aus Gescher.
Jochen Albers übernahm am 1. Juni 2021 die Leitung in Bocholt von Johannes Tepasse, der jahrzehntelang das Haus geführt hatte. Mit 120 Bewohnern plus zehn Gästen in der Kurzzeitpflege gehört es zu den größten im Kreis Borken.
Albers schildert im Redaktionsgespräch den Alltag – sachlich und illusionslos. Der seit Jahren bestehende Notstand werde anhalten: „Es wird nicht besser.“ Dies macht er an vor allem an vier Kardinalproblemen fest, die die Branche zu bewältigen habe.
Personal/Fachkräftemangel: Im Guten Hirten arbeiten 230 Beschäftigte und 25 Auszubildende in allen Bereichen (Pflege, Küche, und Verwaltung). Albers sagt, er habe Glück, dass das Team seit Langem beständig gut zusammenarbeite: „Wir haben viele gute Mitarbeiter, die für uns über Jahrzehnte tätig sind.“
An neues Personal zu kommen, sei fast unmöglich – wobei die Konkurrenzsituation in Bocholt mit zahlreichen Anbietern noch eine besondere sei. Abwerbeprämien seien durchaus üblich. Vor Jahren habe er als Leiter des Henricus-Stifts in Südlohn auf eine Stellenausschreibung acht bis zehn Bewerbungen erhalten. „Das ist lange vorbei.“
Es kommen kaum noch Bewerbungen
Wichtig seien für engagierte Mitarbeiter „verlässliche Dienstpläne. Es darf nicht samstags morgens um 6 Uhr das Telefon klingeln und jemand zur Arbeit gebeten werden“. Die schwierige Coronasituation mit Schließung der Heimen und besuchslosen Zeiten sei „heftig“ gewesen.
Spahns Versprechen war ein „Rohrkrepierer“
Der bundesweite Fachkräftemangel weise eine „eklatante Perspektive“ auf, sagt Albers und fragt: „Woher soll das Personal kommen?“ Wenn es nicht komme, könnten Zusagen zur Pflege- und Versorgungsqualität nicht erfüllt werden. In seiner Zeit als Bundesgesundheitsminister habe Jens Spahn (CDU) aus Ahaus 12.000 Altenpfleger und 22.000 Hilfspfleger versprochen. Albers: „Von den 12.000 sind höchstens 4000 gekommen.“ Das Ganze sei „ein Rohrkrepierer“ gewesen – auch das „Wildern“ in anderen Ländern wie in Rumänien, Albanien oder sogar Mexiko; dort würden Pfleger selbst gebraucht.
Jetzt werde in Indien gesucht. In einer Studie hätten ehemals in der Pflege Beschäftigte gesagt, sie könnten sich eine Rückkehr in ihren Beruf vorstellen, wenn sich die Personaldecke am Bedarf der Pflegebedürftigen ausrichtet und es eine bessere Bezahlung gebe. Auch verlässliche Arbeitszeiten, verbindliche Dienstpläne, mehr Zeit für menschliche Zuwendung, ein respektvoller Umgang untereinander und eine vereinfachte Dokumentation stehen auf der Wunschliste.
Thema Versorgungssicherheit: Die sei faktisch nicht mehr gegeben. Albers: „Wir haben Mangelverwaltung.“ Die Nachfrage nach Plätzen sei größer als das Angebot. Den Begriff „Warteliste“ sei gleichzusetzen mit einer „perspektivischen Lösung“. Albers führt „Interessentenlisten“. Der Heimleiter: „Der Frust bei uns und bei Angehörigen ist groß, weil nicht mehr geholfen werden kann.“
Frust bei Angehörigen
Entbürokratisierung: Sie finde, trotz aller Versprechungen, „seit Jahrzehnten nicht mehr statt“, sagt Albers: „Wir befinden uns im Rückwärtsgang“. So muss er jeden Morgen online für die App „Heimfinder“ freie Plätze melden – obwohl es keine gibt. Macht er das nicht, macht die Heimaufsicht des Kreises Ärger. In der Coronakrise habe es widersprüchliche Verordnungen und Verfügungen gegeben. „Das macht was mit den Mitarbeitern.“ Dabei hätten Einrichtungen auch vorher schon zum Beispiel mit dem Norovirus oder Krätze gelebt. Albers: „Wir können Hygiene.“
Lobbyarbeit: „Die Pflege gehört zur Grundversorgung, wie Urlaub“, sagt Albers. Sie werde jedoch in der Öffentlichkeit nach wie vor eher stiefmütterlich behandelt. Albers‘ Beispiel: „An den Unikliniken wurde zwölf Wochen lang für mehr Personal gestreikt, nicht für Geld. Viele Medien widmeten sich jedoch in dieser Zeit den Wartezeiten für Passagiere aufgrund Personalmangels an Flughäfen.“
Albers hat gelernt, mit Problemen zu leben. Klar ist für ihn: „Ein Pflegeheim ist für die Menschen immer nur die zweitbeste Lösung. Die beste ist ein schönes Zuhause. Allerdings: Wir entlasten auch Angehörige, haben hier dreimal Schichtwechsel. Das ist zu Hause nicht gegeben.“