Nach Messerangriff in Ibbenbüren Lehrerin berichtet von „Hass und Groll“ im Schulalltag

Von Claudia Lohmann
Lehrerin berichtet über Hass und Groll im Schulalltag
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„Ich möchte nicht generalisieren“, stellt die Lehrerin aus dem Ruhrgebiet am Anfang des Gespräches mit der Redaktion klar. Und doch möchte sie offen darüber sprechen, wie sich der Schulalltag in den vergangenen Jahren verändert hat. Sie berichtet anonym, denn es geht auch um ihre eigene Sicherheit, wie die nachfolgenden Zeilen zeigen werden.

„Die Haltung unter den Schülern hat sich in den vergangenen zehn bis zwölf Jahren sehr verändert. Das Unrechtsbewusstsein bei Regelverstößen ist bei immer mehr Schülern so gut wie gar nicht mehr da“, sagt sie und berichtet von einem ihrer Schüler, der aufgrund unterschiedlicher Regelverstöße aufgefallen ist.

Dass er einen Fehler gemacht hat, wollte er nicht einsehen. „Er hat uns vorgeworfen, ihn zu stigmatisieren und zu psychoterrorisieren“, berichtet die Lehrerin, die mit ihm an einer Lösung des Konflikts arbeiten wollte.

Es sind Aussagen, die etwas in ihr auslösen, die sie bewegen, die ein mulmiges Gefühl hervorrufen. Der Schüler begebe sich immer in die Opferrolle und verurteile seine Lehrer. Und es gebe viele ähnliche Geschichten. Immer mehr Schüler, die auf ihr Fehlverhalten angesprochen werden, würden entgegnen, dass die Lehrer etwas gegen sie hätten.

„Wann werden Reifen zerstochen?“

„Wir haben viele, die so argumentieren, das führt das System ad absurdum. Es geht dabei nicht darum, dass Lehrer Macht ausüben. Aber der Schulalltag funktioniert nur, wenn man sich an Regeln hält.“ Und das tun ihrer Beobachtung nach immer weniger Schüler.

„Im Schulbereich werden Regeln immer häufiger hinterfragt und nicht akzeptiert. Der Hass und Groll der Jugendlichen richtet sich immer mehr gegen Personen. Ich bin auch schon gespannt, wann ich meine Reifen zerstochen bekomme“, sagt die Lehrerin ganz offen. Was den Frust hervorruft, weiß sie nicht. Perspektivlosigkeit ist eine Vermutung.

Dass eine Lehrerin in Ibbenbüren von einem Schüler erstochen wurde, bewegt die Lehrerin aus dem Ruhrgebiet sehr. Aber richtig überrascht ist sie von dem Anschlag des Schülers nicht, der dem Vernehmen nach Probleme mit seinen Lehrern hatte. Sie erlebt tagtäglich, dass Lehrer immer respektloser behandelt und teilweise bedroht werden.

Unterstützung nicht in Sicht

Und eine Unterstützung scheint nicht in Sicht. „Ich habe das Gefühl, das System steht nicht mehr hinter den Lehrern“, sagt die Frau, die sich eine Verbesserung des Systems herbeisehnt. Die könne aber nicht darin bestehen, dass Lehrer mehr arbeiten oder größere Klassen unterrichten. „Es wird immer alles auf uns abgewälzt, aber niemand unterstützt die Lehrer.“

Eine weitere negative Folge aus ihrer Sicht: Die Aufmerksamkeit der Medien und der Lehrer liegt bei jenen Schülern, die Probleme machen. „Es fällt dabei hinten rüber, dass man auch ganz ganz viele tolle Schüler hat. Das geht in der Debatte leider unter.“

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