Lehrer fühlt sich unerwünscht und macht Behörden Vorwürfe Welche Rolle spielt das Gehalt?

Lehrer fühlt sich ausgeschlossen: Harte Vorwürfe an die Behörden
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„Ich kann heute nicht zurück“, sagt Lehrer Matthias H., der anonym bleiben möchte und eigentlich anders heißt. Er fürchtet Konsequenzen seines jetzigen Arbeitgebers. Dieser ist nicht das Land Nordrhein-Westfalen. Das Land sucht händeringend Lehrkräfte, 8.000 Stellen sind unbesetzt – und legt motivierten und ausgebildeten Lehrkräften Steine in den Weg, sagt der Lehrer.

Er sei in NRW ausgebildet und zum Oberstudienrat befördert worden. Seinen Hut habe er beim Landesschuldient noch nicht in den Ring geworfen. Unter anderem, weil das Land NRW dies zurzeit nicht zulässt, sagt Matthias H.

Das Problem: Eine Bewerbung wäre nur dann möglich, wenn er bereits aktuell für das Land NRW unterrichten würde – und zwar im Regierungsbezirk, in dem die entsprechende Stelle verortet ist.

Eine solche Stelle ist aktuell zum Beispiel an der Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Lünen ausgeschrieben, allerdings als Beförderungsstelle. Bewerben können sich Studienrätinnen und Studienräte, heißt es im Online-Stellungsausschreibungsportal „STELLA“.

Die Bezirksregierungen schreiben im Rahmen der „Richtlinien zur Stellenausschreibung“ in eigener Zuständigkeit offene Beförderungsstellen aus, heißt es auf Anfrage dieser Redaktion aus dem Schulministerium. Vorgaben, „ob und inwieweit Ausschreibungen auf Bewerberinnen und Bewerber aus einem bestimmten Regierungsbezirk beschränkt sein dürfen“, gebe es keine.

Bezirksregierungen sind flexibel

Stattdessen bestehe „ein weites organisatorisches Ermessen der jeweiligen Bezirksregierung“, heißt es aus dem Ministerium. Lediglich sachfremde und willkürliche Erwägungen dürften nicht angestellt werden.

Die Bezirksregierung Arnsberg hat eine Erklärung dafür, dass sie nur Oberstudienräte aus dem eigenen Bezirk einstellt. Solche Stellenausschreibungen dienen der Beförderung, sagt eine Sprecherin. „Nicht dagegen der Unterstützung von Versetzungs- oder Umzugswünschen“.

Bezirksregierung nennt andere Verfahren

Dafür gebe es eigens das Lehrerversetzungsverfahren (LVV) und Ländertauschverfahren (LTV). „Die Querbewerbung auf Beförderungsstellen dient erfahrungsgemäß oftmals schlicht der Umgehung dieser Tausch- und Versetzungsverfahren“, heißt es von der Bezirksregierung, die nachlegt: „Das soll verhindert werden.“

Von den genannten Verfahren hält Matthias H. nichts. Er kenne nur eine Kollegin, die auf diesem Weg ihren Dienstherren gewechselt habe. „Sie hat für diesen Weg mehrere Jahre benötigt“, sagt H.

Das Gebäude der Bezirksregierung in Arnsberg.
Das Gebäude der Bezirksregierung in Arnsberg. © Heiko Mühlbauer

Das Problem sei die Fächerkombination. „Immer dann, wenn ihre Fächerkombination rar war, hat sie ihr alter Dienstherr nicht gehen lassen. Gab es ihre Fächerkombination im Überfluss, hat das Land NRW sie nicht gewollt“, sagt Matthias H.

Er ärgert sich über die Maßnahmen, die ihm die Rückkehr in den Landesschuldienst verbauen. Diese verhindern die Bestenauslese, sagt H. „Alle Länder und Bezirksregierungen sagen, sie kriegen keine neuen Leute. Aber was tun sie dafür?“, fragt er.

Seiteneinsteiger günstiger?

Von Behördenseite aus mache man den Kreis möglicher Bewerber so klein, dass nur wenige übrig blieben, sagt er. Er könne nur noch in den Landesschuldienst, in dem er bereits rund 20 Jahre unterrichtet habe, wechseln, wenn er eine bereits errungene Beförderung abgebe. Über einen ähnlichen Fall hatten wir schon vor wenigen Wochen berichtet.

Matthias H. vermutet, dass es für Land und Regierungsbezirk schlicht billiger ist, Seiteneinsteiger zu befördern. Die Bezirksregierung widerspricht dem. Sie würden in den Beförderungsverfahren keine besondere Rolle spielen.

Bettina Riskop ist Schulamtsdirektorin im Kreis Unna.
Bettina Riskop ist Schulamtsdirektorin beim Kreis Unna. © Foto Kreis Unna/Rauert

„Ob ein Seiteneinsteiger die für das angestrebte Amt vorausgesetzten Bedingungen erfüllt, muss in jedem Einzelfall geprüft werden“, heißt es. Zwar verdienen Oberstudienräte (mindestens 4.739 Euro) mehr als beförderte Seiteneinsteiger (mindestens 4.542 Euro). Der Unterschied fällt aber nicht sonderlich groß aus.

Nichts für all das kann das Schulamt des Kreises Unna, sagt es selbst. Zuständig ist es nämlich nur für die Einstellung von Lehrkräften an Grundschulen. „Was unsere eigene Zuständigkeit anbetrifft, sehen wir keine größeren Schwierigkeiten, offene Stellen abzuwickeln“, sagt Bettina Riskop. Sie ist als Landesbeamtin zuständige Schulaufsicht im Schulamt für den Kreis Unna.

Lehrer-Mangel im Kreis Unna bekannt

Bürokratische Hürden, die Einstellungen in einer „angemessenen Zeit“ im Wege stehen, gebe es nicht. Riskop sagt: „Ansonsten begrüßen wir natürlich, möglichst die gemeinsamen Vorgehensweisen so abzustimmen, dass wir für geeignete Bewerber einen möglichst schlanken Weg finden, damit es zu einer Einstellung kommen kann.“ Dass der Lehrkräfte-Bedarf auch an anderen Schulen groß ist, sei landesweit bekannt.

Riskop sagt aber, dass in den Grundschulen – auch bedingt durch Zuwanderung – wachsende Schülerzahlen einer geringeren Begeisterung für das Lehramts-Studium an Primarschulen entgegenstehen. „Das macht im Endeffekt natürlich einen Bedarf aus“, sagt sie Riskop.

„Wirklich erstaunlich“, nennt Matthias H. den „sehr hohen Numerus Clausus“ für Primarstufen-Studiengänge. Dabei müsse man doch viel mehr Lehrkräfte ausbilden, sagt der Lehrer. „Anders geht es nicht. Wir haben systemisch weggeguckt.“

Trotz der 8.000 unbesetzten Lehrer-Stellen gab es in Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2021 1.675 arbeitslose gemeldete Lehrkräfte für allgemeinbildende Schulen. Die Stellen, die sich auf den verschiedenen Online-Bewerbungsportalen des Landes finden lassen, sind beim Arbeitsamt nicht gelistet, erklärt ein Sprecher der Arbeitsagentur Hamm, die auch für den Kreis Unna zuständig ist.

Lehrer in Vollbeschäftigung

„Diejenigen, die sich in der Welt des Lehrwesens bewegen, wissen, wo sie sich bewerben müssen“, heißt es von der Arbeitsagentur. Oft fänden arbeitslose Lehrer schnell selbst wieder Arbeit und seien nur vorübergehend – etwa wegen Krankheit ober Übergangsphasen bei Stellenwechseln – arbeitslos gemeldet.

Die Daten der Arbeitsagentur weisen eine „berufsspezifische Arbeitslosigkeit“ von einem Prozent aus. Ab zwei Prozent spreche man quasi von Vollbeschäftigung, sagt ein Sprecher.