Die Diskussion um die Reform der Grundsteuer schlägt seit Jahren hohe Wellen. Jetzt wird es ernst, denn in weniger als einem Jahr, zum 1. Januar 2025, wird sie das erste Mal fällig.
Doch es gibt massive Proteste im Land. Nicht nur, dass noch immer mehrere hunderttausend Steuererklärungen fehlen. Es gibt auch einen Berg an Widersprüchen gegen ergangene Bescheide des Finanzamtes.
Das geht aus einer Antwort der NRW-Landesregierung auf eine Kleine Anfrage von Ralf Witzel, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der FDP im Landtag, hervor. Die Antwort liegt der Redaktion vor.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts als Auslöser
Zum besseren Verständnis: Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2018 muss die Grundsteuer in Deutschland neu berechnet werden. Dazu müssen Grundstückseigentümer und Immobilienbesitzer eine Steuererklärung abgeben – und zwar elektronisch über das Programm ELSTER des Finanzamtes. Für Nordrhein-Westfalen werden 6.672.737 benötigt.
Seit dem Frühjahr 2022 können solche Erklärungen abgegeben werden. Trotz mehrmaliger Verlängerung der Abgabefrist – die letzte lief im April 2023 ab – fehlen noch immer gut 450.000 Erklärungen, rund 6,8 Prozent. Diesen Stand von Ende November nannte die Landesregierung jetzt. Inzwischen sind die Finanzämter dazu übergegangen, die Werte für die Grundstücke zu schätzen, für die keine Erklärungen abgegeben wurden.
Zur echten Mammutaufgabe wird für die Finanzämter die Bearbeitung der gewaltigen Menge an Einsprüchen gegen von ihnen verschickte Bescheide. 876.000 Einsprüche wurden bisher gegen die „Grundsteuerwertfeststellungsbescheide“ registriert, 435.000 gegen die „Grundsteuermessbetragsbescheide“. Insgesamt also 1.311.000 Widersprüche.
Zuerst wird der Wert eines Grundstücks ermittelt
Diese unterschiedlichen Bescheide, das klingt sehr bürokratisch und kompliziert. Daher kurz zur Erläuterung, wie die neue Grundsteuer berechnet wird. Das erfolgt in drei Schritten:
1. Der Wert eines Grundstücks wird ermittelt anhand vorhandener Daten und anhand der Angaben des Eigentümers. Das wird festgehalten im „Grundsteuerwertfeststellungsbescheid“, den das Finanzamt an den Eigentümer verschickt.
So kommt der Grundsteuermessbetrag zustande
2. In einem zweiten Schritt kommt die sogenannte „Steuermesszahl“ ins Spiel. Es gibt zwei unterschiedliche, vom Bund festgelegte Werte: Für Wohngrundstücke liegt diese Steuermesszahl bei 0,031 Prozent, bei allen anderen, also etwa gewerblichen oder unbebauten Grundstücken, liegt die Zahl bei 0,034 Prozent.
Der im ersten Schritt ermittelte Grundsteuerwert wird nun mit der Steuermesszahl multipliziert. Das Ergebnis ist der „Grundsteuermessbetrag“. Auch darüber erhält jeder Immobilienbesitzer einen Bescheid, den „Grundsteuermessbetragsbescheid“, vom Finanzamt.
Am Ende der Hebesatz und die Rechnung von der Gemeinde
3. In einem dritten und letzten Schritt legt jede Stadt und jede Gemeinde einen „Hebesatz“ fest. Mit diesem Hebesatz wird für jedes einzelne Grundstück der ermittelte Grundsteuermessbetrag multipliziert. Heraus kommt der Grundsteuer-Betrag, den der Eigentümer zu zahlen hat. Diese entscheidende Rechnung verschickt nicht das Finanzamt, sondern die Stadt oder Gemeinde.
Jetzt also bis Ende November 876.000 Einsprüche gegen den festgesetzten Grundsteuerwert. Das sind 14,2 Prozent aller bis dahin erledigten Wertfeststellungen. Zudem 435.000 Einsprüche gegen den festgesetzten Grundsteuermessbetrag. Das sind 7,1 Prozent aller Messbetragsbescheide.
Und, auch das geht aus der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage von Ralf Witzel hervor: Noch immer gibt es jede Menge Informationsbedarf. Das zeigen die Anrufer-Zahlen bei der eigens von den Finanzämtern eingerichteten Grundsteuer-Hotline. An jedem Werktag im November gingen dort mehrere hundert, teils sogar mehr als 1.000 Anfragen ein.
Was auch bemerkenswert ist: Eigentlich sollten alle Steuererklärungen auf elektronischem Weg über das Programm ELSTER abgegeben werden. Das sollte die Bearbeitung in den Finanzämtern erleichtern. Doch daraus wurde nichts: Elf Prozent der Steuerpflichtigen haben das nicht geschafft und ihre Angaben auf Papier abgegeben.
Hinzu kommt, dass zahlreiche elektronisch abgegebene Erklärungen fehlerhaft waren und von Hand nachgearbeitet werden mussten. Das traf, so teilte das Land mit, in 49 Prozent der abgegebenen Erklärungen der Fall.
Gebührenerhöhung im „Windschatten der Reform“?
Für den FDP-Landtagsabgeordneten Ralf Witzel ein deutliches Signal: „Die Erklärungen überfordern etliche Steuerzahler.“
Im Übrigen erneuert Witzel seine Befürchtung, dass die Grundreform am Ende zu einer deutlichen Erhöhung der von allen zu zahlenden Grundsteuer führen wird: „Es richtet einen schweren Vertrauensschaden an, wenn Städte entgegen allen langjährigen Beteuerungen im Windschatten der verwirrenden Grundsteuerreform auch noch bequem ihre Einnahmen erhöhen. Vieles spricht dafür, dass das in NRW gewählt Scholz-Modell ohnehin die Wohnkosten deutlich verteuert.“ Am Rande: Das Verfahren zur Berechnung der Grundsteuer heißt „Scholz-Modell“, da es der damalige Bundesfinanzminister und jetzige Bundeskanzler Olaf Scholz 2019 vorgeschlagen hatte.
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