Menschen im neuen Zuhause

Fotografien von Maziar Moradi

Es gibt Schlüsselmomente, die ein ganzes Leben in Erinnerung bleiben. Jahrelang hat der Fotograf Maziar Moradi Geschichten solch symbolischer Weggabelungen gesammelt.

16.05.2014, 18:30 Uhr / Lesedauer: 2 min
Welche Geschichte verbindet diese Frau mit den Puppen? Die Ausstellung verrät das nicht, die »Schlüsselmomente« der Migranten muss der Betrachter selbst neu erfinden.

Welche Geschichte verbindet diese Frau mit den Puppen? Die Ausstellung verrät das nicht, die »Schlüsselmomente« der Migranten muss der Betrachter selbst neu erfinden.

„Ich werde deutsch“ lautet der etwas ironisch gemeinte Titel der Ausstellung Friedrich-Hundt-Gesellschaft, die an diesem Sonntag um 16 Uhr im Stadtmuseum eröffnet wird. Meist sieht man auf den Fotos nachdenkliche, teils auch traurige oder melancholische Gesichter. Aber auch Mut, Lebensfreude und Kampfgeist strahlen einige aus, als wollten sie sagen: Eine jede Krise birgt das Potenzial, an ihr zu wachsen. Ob die Geschichten dieser Menschen letztlich gut ausgingen, verraten die Fotografien nicht. Wohl aber der Fotograf: „Viele von ihnen sind sehr zufrieden“, sagt Moradi.

Er selbst, Jahrgang 1975, kam elfjährig aus dem Iran mit seiner Familie nach Deutschland. Vieles von dem, was ihm berichtet wurde, kann er daher gut nachvollziehen: „Es geht dabei um die Emotion dahinter, die ich sichtbar machen will.“ Bei den Bildern ist nichts dem Zufall überlassen. Das Licht, die Requisiten oder auch die Haltung der Personen sind genau aufeinander abgestimmt. Eine dunkelhäutige Frau sitzt adrett zurechtgemacht inmitten edler Puppen und wirkt verloren in dieser seltsamen Gesellschaft. Ein anderer, in der Kleidung des Chirurgen, sitzt in einem OP-Raum, den Personalausweis hält er in der Hand. Er wirkt erschöpft, und dennoch hat man den Eindruck, er wäre jederzeit auf dem Sprung. Schemenhaft sind Schläuche und medizinische Instrumente im Hintergrund zu erkennen und werfen lange Schatten. An anderer Stelle steht eine junge Frau mit nacktem Unterleib vor einer rot angestrahlten Häuserwand. Ihr Blick ist gehetzt und doch nicht ohne Neugierde.

Auch Maziar Moradi hat damals bei seiner Ausreise einen Schlüsselmoment erlebt: „Es war, als meine Mutter mich an die Hand nahm und mit mir in den Flieger gestiegen ist“, erzählt er. „Damals habe ich gelernt, dass Trennungen zum Leben dazu gehören.“ Welche Geschichten im Einzelnen hinter seinen Fotografien stehen, sagt er nicht. „Die wurden mir anvertraut, ich zeige hier nur meine Übersetzung dieser Erzählungen.“ Immerhin vier der zugrunde liegenden Geschichten der Migranten sind im Ausstellungskatalog nachzulesen. Die des Mannes, der zwei Jahre nach dem Attentat auf das World Trade Center in die USA aufbrach, um sein Stipendium in Harvard anzutreten. Vier Monate länger als gewöhnlich wartete er auf sein Visum – wohl nur wegen seiner ursprünglichen Herkunft. „Geburtsort unauslöschlich Teheran, Staatsangehörigkeit deutsch“, steht dort. „Nicht so deutsch wie bei richtigen Deutschen, aber deutsch genug, um damit überall hinzukommen.“ Bis zum 13. Juli werden die Fotografien im Stadtmuseum zu sehen sein.