Mensch wähl mich - aber warum eigentlich?
Bundestagswahl 2021 - mit Video
In einem spielerischen Format als Kandidatencheck ist vor allem der Deutsche Gewerkschaftsbund der Gewinner - er gibt der Politik seine Positionen zu drängenden Fragen mit auf den Weg.
von Thomas Fiekens
Marl, Haltern, Oer-Erkenschwick, Datteln, Herten
, 28.08.2021, 09:00 Uhr / Lesedauer: 3 min
Robert Heinze (Marl, FDP) stellt ein gelbes Hütchen, die Mitbewerber (v.l.) Ulrike Eifels, Robin Conrad (Bündnis 90/Die Grünen), Brain Nickholt (SPD) und Lars Ehm (CDU) sind mit von der DGB-Würfelpartie. © Meike Holz
Bis zur Bundestagswahl am Sonntag, 26. September, ist es noch ein paar Tage hin, beim DGB Emscher-Lippe ist der Würfel im Wahlkreis 122 - Marl, Oer-Erkenschwick, Datteln, Haltern, Herten - schon eher gefallen. Aber nur im Spiel.
Es geht um „Mensch wähl mich“ im Marler Bürgerbad an der Loemühle. Die Direktkandidatinnen und und Kandidaten Ulrike Eifler (Die Linke), Robin Conrad (Grüne), Brian Nickholz (SPD), Lars Ehm (CDU) und Robert Heinze (FDP) haben sich dort in einem besonderen Format Fragen der Gewerkschafter gestellt. Wer steht wofür?
Keine Wahlempfehlung, aber Positionen
Die hier vorgenommene Anordnung der Namensliste verrät keine inhaltliche Priorisierung, sie orientiert sich schlicht an der Reihenfolge, mit der Gewerkschaftssekretär Tobias Krupp und Co-Moderatorin Melike Aslan die Kandidaten an eine Würfelmatte bitten.
“Wir geben keine Wahlempfehlung ab“, macht Mark Rosendahl, DGB-Regionsgeschäftsführer Emscher Lippe gleich bei der Begrüßung der Gäste am Donnerstagabend deutlich, „gleichwohl sind wir nicht neutral, was unsere Positionen angeht.“
Fragen und Antworten im Video
Das Wichtigste vorab: Nur 20 Leute sind ins Bürgerbad Loemühle gekommen, der Teilnehmerkreis vor Ort ist Corona geschuldet begrenzt. Viel mehr Menschen wollen die Gewerkschafter im Anschluss mit der Aufzeichnung des Abends über den DGB-Facebook-Auftritt erreichen. Hier vermittelt ein Video schon jetzt erste Eindrücke:
Weiter im Text: Das spielerische Format erinnert ein bisschen an Monopoly. Nur, dass es dem Deutschen Gewerkschaftsbund nicht um Schlossallee oder Badstraße geht, sondern gleich vom Fleck weg um arm oder reich im wahren Leben, um Geschlechtergerechtigkeit in Beruf und im Privaten, den Strukturwandel, um die ökologischen und ökonomischen Aspekte in der Klimafrage. Und: Wer hält es wie mit der betrieblichen Mitbestimmung?
Die Kandidaten können mit den Würfeln auf acht Themenfeldern landen: Wohnen, Soziales, Bildung, Umwelt, Arbeit, Demokratie, Wirtschaft, Mobilität. Manchmal stehen die Spielhütchen auch nebeneinander im Kästchen.
Andere Standpunkte aushalten können
Aussuchen können sich die Politiker das nicht - mit einer Gegenrede auf Konkurrenten reagieren auch nicht. „Das ist das spannende am Format, man muss anderen zuhören und andere Positionen aushalten können.“ Für den DBG ist spannend, seine Standpunkte den Gästen in Frageform ins Stammbuch zu schreiben. Das ist clever gemacht.
So bringt man zum Beispiel Forderungen nach dem Einfrieren von Mieten bis zur Schaffung von mehr bezahlbarem Wohnraum öffentlichkeitswirksam an. Oder in der Debatte um die Abschaffung von Mini-Jobs die Forderung nach Sozialversicherungspflicht schon ab dem ersten verdienten Euro. Oder die nach gleicher Bezahlung von Frauen und Männern...
Das Publikum bringt Aktuelles ins Spiel
Und dann gibt es an diesem Abend noch das Feld „Publikumsfrage“. Da geht es prompt für Ulrike Eifels (Linke) zur Sache - angesichts einer der bestürzendsten Entwicklungen dieser Tage. „Wie stehen Sie zum Bundeswehr-Rettungseinsatz in Afghanistan?“
Wegen Nein-Stimmen und Enthaltungen im Bundestag bei der nachträglichen Autorisierung des Rettungsmandates war die Partei massiv in die Kritik geraten. Klare Aussage von Eifels - sie verteidigte die Empfehlung zur Stimmenthaltung: „Man darf die Augen nicht davor verschließen, dass Menschen gerettet werden müssen. Ich persönlich aber halte Bundeswehr-Einsätze für eine schweren Fehler.“ Gespräche zu führen sei die bessere Alternative.
Alles hängt mit allem zusammen
Da von Bundesebene bis in die Kommunalpolitik alles mit allem zusammenhängt. geht es auch immer wieder ums Geschehen vor Ort. Die in Oer-Erkenschwick auf der Zechenbrache Ewald Fortsetzung geplanten Gewächshäuser für Paprika und Tomaten zur Vermarktung über kurze Transportwege zum Verbraucher vereinen alle Zutaten für eine Klimawandel-Arbeitsplatz-Lohn-Würfelspielrunde.
Lars Ehm, Oer-Erkenschwicker (CDU), spricht sich klar für die Pläne aus: 100 Arbeitsplätze, sinnvolle Nutzung einer Zechenbrache, Stärkung des Regionalgedankens im Lebensmittelhandel...
Robin Conrad, Oer-Erkenschwicker (Grüne), sieht das anders: Gebraucht würden keine weiteren Arbeitsplatze im Niedriglohnsektor von denen man keine Familie ernähren kann. Nicht nur auf der Ewald-Brache würde gebaut, sondern auch in ökologisch sensiblen Bereichen...
Mietenpreisstopp ist ein großes Thema
Weitere Standpunkte in Kurzversion: Was sagt ein FDP-Mann zur DGB-Forderung einer Mietpreisbremse und zum sozialen Wohnungsbau? Für Robert Heinze, Marl, kann das nicht funktionieren, es würge die Investitionsbereitschaft ab, Mieten seien für Rücklagen notwendig. Wenig überraschend: Was dem Wohnungsbau im Weg stünde, seien „lange Planungszeiten und zweieinhalbtausend Vorschriften“...
Für die Linke-Kandidatin Eifel kommt das Land hingegen ohne bundesweiten Mietendeckel nicht mehr klar, um Spekulationen mit Wohnraum zu stoppen: „Mieterhöhungen können durch Lohnzuwachs durch Tariferhöhungen kaum noch aufgefangen. Da entwickelt sich ein sozialer Kipppunkt.“
Auch Brian Nickholz (Marl, SPD) unterstützt den Mietenstopp zu „100 Prozent“: Bundesweit und auf sechs Jahre gedeckelt. Bis dahin müsse mehr gebaut werden.
In ihrem Schlusswort brachte Ulrike Eifels den spielerischen Umgang mit ernsten Themen so auf den Punkt: „Dieser Wahlkampf ist alles andere als langweilig. Es geht angesichts der Krisen um alles.“