Marc-André Hamelin ist verliebt in einen ideenreichen Musiker
Klavier-Festival Ruhr
Wenn Marc-André Hamelin auftritt, ist eigentlich klar, dass es wieder etwas Neues zu entdecken gibt - Ausgrabungen der Klaviermusik sozusagen. Beim Klavier-Festival Ruhr war er am Montag zum 13. Mal zu Gast. Und in der Tat gab es in der Philharmonie Essen auch Raritäten zu hören: kurze frühe Sonaten des ukrainisch-jüdischen Pianisten Samuil Feinberg etwa.

Der Pianist Marc-André Hamelin
Hamelin errichtet ihm kein nachträgliches Denkmal, er teilt schlicht die Freude und Faszination über wiederentdeckte pianistische Kleinode mit dem Publikum. Feinbergs erste beiden Sonaten von 1915 und 1916 sind Zeugnisse eines vor Ideen und Improvisationsfreude strotzenden jungen Musikers, der vom Farben- und Harmonienreichtum der Impressionisten beeindruckt war. Hamelin widmet sich mit großer Detail- und Klangverliebtheit diesen zu Unrecht vergessenen, aber sicher nicht epochal bedeutsamen kleinen Stücken.
Klassik und Romantik
Größeres historisches Gewicht, aber doch ebenso wenig Bekanntheit genießen Busonis Kompositionen. In Essen spielte er die "Sonatina seconda" von 1912.
Bemerkenswerter für Hamelin-Fans aber dürfte sein, dass der Franko-Kanadier mit 54 Jahren zunehmend seinen Schwerpunkt auf die großen Klassiker und Romantiker legt.
Zart und dramatisch
Von Haydn und Brahms stammten die Hauptwerke des Abends. Haydns "Englische Sonate" vermittelt einen guten Eindruck von der Begeisterung des alten Meisters für die technisch-virtuosen Möglichkeiten des Hammerflügels.
Brahms' f-moll-Sonate hingegen ist das Werk eines 20-jährigen Heißsporns und glühenden Romantikers. Gewaltige, sinfonisch donnernde Ecksätze und ein zart schwärmerisches "Andante espressivo" stecken eine gewaltige dramatische Fallhöhe ab, die Hamelin genuss- und wirkungsvoll ausreizt. Ein durchweg beeindruckender Abend beim Klavier-Festival Ruhr.