Mann wird brutal aus überbuchtem Flugzeug gezogen
Rechte beim Reisen
Sicherheitsleute werfen einen Mann in den USA brutal aus einem Flugzeug. Der Grund: Die Maschine war überbucht, ein Passagier sollte freiwillig weichen, niemand erklärte sich aber dazu bereit. Auch deutsche Reisende fragen sich nun: Kann der ersehnte Urlaub einfach schon vor dem Abflug beendet werden?
Videos von dem Vorfall zeigen, wie Sicherheitsleute einen Mann über den Boden des Kabinengangs zum vorderen Ausgang des Flugzeuges ziehen. Die Airline hatte den Flug von Chicago nach Louisville (Kentucky) überbucht und Passagiere gebeten, den Flieger wieder zu verlassen. Einer der Gründe war demnach, dass eine United-Crew dringend an Bord sollte, weil sie für einen Flug am nächsten Morgen in Louisville eintreffen musste.
Da sich aber niemand freiwillig gemeldet habe, das Flugzeug zu verlassen, seien Passagiere per Zufall von einem Computer ausgewählt worden. Der dann gewaltsam hinausgezogene Passagier ging nicht auf das Angebot ein, mit der Begründung, er sei Arzt und müsse am nächsten Tag Termine mit Patienten in Louisville einhalten. Er habe sich gewehrt und geschrien, jedoch ohne Erfolg.
Mann behauptet, er wurde ausgesucht, weil er Chinese sei
Für die US-Fluggesellschaft United Airlines wird der rabiate Rauswurf eines Passagiers aus einem überbuchten Flieger immer mehr zu einem Image-Desaster. Der Vorfall, von dem Videos kursieren, führte online weltweit zu massiven Protesten. Der Mann behauptete laut US-Medien, er sei ausgewählt worden, weil er Chinese sei. Entsprechende Berichte wurden in China millionenfach geteilt und lösten eine Welle der Empörung aus.
Das Überbuchen von Inlandsflügen ist in den USA üblich. Die Fluggesellschaften rechnen auf vielgebuchten Strecken damit, dass pro Flug einige Passagiere nicht erscheinen. Sie nehmen daher mehr Buchungen an, als Sitzplätze zur Verfügung stehen. Im vergangenen Jahr mussten nach offiziellen Angaben fast eine halbe Million Fluggäste zurückbleiben, obwohl sie einen Flug gebucht und bezahlt hatten. In den meisten Fällen nehmen sie die Angebote der Fluglinien an, die oft Gutscheine für Rabatte oder Freiflüge ausgeben.
Nicht jeder Passagier tritt seine Reise an
Könnte das auch Reisenden in Deutschland passieren - womöglich zu Ostern oder in der Ferienzeit? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Warum verkaufen Fluggesellschaften zu viele Tickets? Aus ökonomischer und ökologischer Sicht sei es sinnvoll, möglichst alle Plätze in einem Flugzeug zu besetzen, erklärt Carola Scheffler, Sprecherin des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL). „Erfahrungsgemäß erscheinen aber nicht alle Passagiere zu ihrem gebuchten Flug.“ Bei Lufthansa sind das im Jahr etwa 3 der rund 110 Millionen Passagiere, wie Unternehmenssprecherin Anja Lindenstein sagt. Damit möglichst wenige Plätze frei bleiben, werden die Flüge bis zu einem gewissen Prozentsatz überbucht. „Das ist gängige Praxis im Airline-Business.“
Wie stark können Maschinen überbucht sein? Welche Kriterien sind dabei ausschlaggebend? Konkrete Zahlen nennen BDL und Lufthansa nicht. Das sei extrem unterschiedlich und hänge von der Strecke, dem Tag und Ereignissen wie Kongressen, Messen oder großen Events ab. Auf der Basis dieser Erkenntnisse und konkreter Erfahrungswerte der Vergangenheit berechnen die Airlines, wie viele Passagiere voraussichtlich ihren Flug nicht antreten. Es wird aber nicht jede Maschine überbucht: Gerade zu Ferienbeginn, bei Großereignissen oder Messen ginge die Airline das Risiko nicht ein, sagt Lufthansa-Sprecherin Lindenstein.
Warum treten manche Passagiere ihren Flug nicht an? Geschäftsreisende buchten manchmal mehrere Flüge, „weil sie nicht wissen, wann ihr Meeting zu Ende ist“, sagt Lindenstein. Verpasste Anschlussflüge sind ein anderer Grund. Dazu kommen persönliche Ursachen wie beispielsweise eine Krankheit oder ein Unfall. Es gebe aber auch kulturelle Unterschiede. Manche Fluggäste verpassten schon mal während des Shoppens ihre Maschine. Die Deutschen seien in der Regel sehr pflichtbewusste Reisende.
Wie gehen die Fluggesellschaften damit um, wenn zu viele Passagiere mitfliegen wollen? Zunächst wird nach Passagieren gesucht, die freiwillig von dem Flug zurücktreten, wie Scheffler und Lindenstein sagen. Sie würden dann auf eine andere Maschine umgebucht. Je nach Entfernung und der Dauer bis zum nächsten Flug gibt es dafür auch Geld. Sollte der nächste Flug erst am nächsten Tag gehen, zahlt die Fluggesellschaft auch eine Hotel-Übernachtung. Die Einzelheiten regelt eine EU-Verordnung. „Der Passagier hat zusätzlich die Möglichkeit, auf einen späteren Flug umgebucht zu werden oder sich den Ticketpreis zurückerstatten zu lassen“, sagt Scheffler.
Was machen die Fluggesellschaften, wenn sich nicht genug Freiwillige finden? Dann wird der Zeitpunkt des Check-Ins der Fluggäste berücksichtigt, wie Lindenstein sagt. Dabei gilt: „Je eher, desto besser.“ Die Fluggesellschaft spreche mit einzelnen Gästen und versuche, eine individuelle Lösung zu finden. Das Problem werde auf jeden Fall am Gate gelöst, bevor die Passagiere einsteigen, betont Lindenstein. Ob es dabei bereits einmal zu Handgreiflichkeiten verärgerter Reisender kam, sei ihr nicht bekannt.
Wie ist es bei gebuchten Ferienreisen, außerhalb von Linienflügen? Bei Ferienflügen gibt es relativ wenig Passagiere, die nicht am Flughafen erscheinen, wie der Sprecher von TUI Fly, Jan Hillrichs, sagt. „Die Urlauber kommen in der Regel.“ Daher würden die Maschinen normalerweise auch nicht überbucht. Sollte dies doch einmal passieren, so erkenne dies das Computersystem bereits Tage vor dem Abflug. Den letzten Kunden werde dann rechtzeitig eine Alternative angeboten. Hillrichs versichert: „So etwas wie bei United kann bei uns nicht vorkommen.“
Von dpa