„Ausgeklügelte Manipulation der Opfer“ Wie Menschen auf Love-Scamming-Betrüger hereinfallen

„Ausgeklügelte Manipulation“: Wie Menschen auf Love Scamming hereinfallen
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Vor dem Landgericht in Dortmund ist vergangene Woche ein Geldwäscheprozess zu Ende gegangen. Ein Unnaer wurde zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er Betrügern seine Konten zur Verfügung gestellt hatte. Die Bande hatte mit der sogenannten Love-Scamming-Masche einsame Frauen in ganz Deutschland um viel Geld gebracht. Was Menschen dazu treibt, auf solche Betrüger hereinzufallen, und welche Gefahren beim Online-Dating lauern, erklärt Paartherapeutin und Lebensberaterin Jennifer Angersbach aus Unna.

Welche Menschen sind zugänglich für Love Scamming im Internet und warum?

Es klingt erstmal ja auch alles sehr abstrus: Ein uniformierter, attraktiver Dave, Witwer aus den USA, schreibt auf Instagram oder Facebook Frauen an und diese Frauen überweisen ihm Geld. Viele schütteln mit dem Kopf, wenn sie so etwas hören: „Ich blockiere solche Profile immer!“

Und dann gibt es da Phasen im Leben, die von Einsamkeit und Sehnsucht geprägt sind. Wir haben eine so große Not, dass es uns auch erst mal egal ist, was wahr oder falsch ist. Und in dieser Situation, in der wir glauben, „uns“ kontrollieren zu können, geraten wir an Betrüger und Narzissten: „Ach komm, egal, schreib ich einfach, eh fake, aber ich hab ja ohnehin nichts zu tun…“

Und was dann passiert, ist eine ausgeklügelte Manipulation der Opfer. Es wird mit Emotionen gespielt: Endlich ist da einer, der sich für mich interessiert, mir Anerkennung entgegenbringt, rasch reagiert, Bezug nimmt… das ist so schön, wir wollen dann glauben, dass das wahr ist, und eigene Zweifel werden zur Seite geschoben: „Im schlimmsten Fall meldet er sich irgendwann nicht mehr!“ Ein Trugschluss.

Nachdem dann also das Opfer verzaubert wurde, klagt der Betrüger seine traurige Geschichte. Wir haben Mitgefühl, würden gerne da sein, helfen, wirksam sein… und überweisen Geld.

Beim Love Scamming erleiden die Opfer tatsächlich einen materiellen Verlust, andere Internet-Phänomene wie das Ghosting können emotional aber ähnliche Wunden hinterlassen. Was treibt die „Täter“ an?

Ghosting beschreibt das Vorgehen, sich plötzlich nicht mehr zu melden. Zwei Menschen schreiben, alles ist schön, aufregend, das erste Date steht kurz bevor und plötzlich bricht der Kontakt ab. Nach einer Woche Funkstille ist klar: Man wurde geghostet. Oder das Date war toll und plötzlich meldet sich das Gegenüber nicht mehr, obwohl doch alles so schön war.

Hier wirken ähnliche Mechanismen: Verliebt zu sein sorgt dafür, dass alles durch die rosa-rote Brille gesehen wird und in der Kennenlernphase zeigt man sich zusätzlich von der besten Seite. Alles glänzt und funkelt. Und je größer die „Verzweiflung“, desto stärker auch die Idealisierung und Projektion. Je hungriger ich im übertragenen Sinn bin, desto weniger Ansprüche stelle ich ans Essen. Da kann so ein „altes Hasenbrot“ schon Großes bewirken. Wir übersehen Warnsignale, ignorieren Widersprüche, vernachlässigen die Vernunft.

Eine Frau hält ein Handy in der Hand. Auf dem Display ist ein großes Herz zu sehen.
Über das Online-Dating suchen trotz aller Gefahren sehr viele Singles die große Liebe. © Christin Klose/dpa

Ghosting ist tatsächlich gar nicht so perfide und unmenschlich, wie gern suggeriert wird, sofern es eben nicht bewusst drauf angelegt wird. Der Grund ist oft der, dass man sich beim Säuseln vorab vielleicht übernommen hat. Beim Date merkt man, das ist es doch nicht, möchte das Gegenüber aber nicht mit dieser harten Wahrheit konfrontieren und verlangsamt dann den Kontakt und lässt ihn ausschleichen – ohne klar zu formulieren: „Es passt doch nicht!“

Gleichzeitig gibt‘s auch Menschen, die es drauf anlegen, andere ins Bett zu kriegen, auszunutzen und zu manipulieren – und ghosten dann, nachdem das „Ziel“ erreicht wurde.

Obwohl sich im Internet viele Menschen tummeln, die nicht ehrlich oder schlimmstenfalls kriminell sind, suchen noch weitaus mehr Singles einen Partner beim Online-Dating. Wie können sie sich schützen?

Es gibt so ein paar Dinge, die sicherlich schützend wirken. Wie bereits beschrieben, haben wir für gewöhnlich einen ‚natürlichen Schutz‘ durch unsere Emotionen: Angst und Irritation werden nur manchmal ausgehebelt, durch Hoffnung und Idealisierung aufgrund von Verzweiflung. Meist merken wir das durch ein „Schamgefühl“. Daher ist es sinnvoll, auch immer eine externe Kontrolle zu haben – sei es nun eine Freundin oder ein Arbeitskollege, der/dem man vertraut. Wenn man hier plötzlich nichts mehr erzählen mag, ist das ein klares Zeichen dafür, das etwas gerade nicht stimmt.

Gerade zum Schutz vor Betrug ergibt es Sinn, sich innerhalb von vier Wochen einmal zu treffen. Denn diese Menschen, hinter denen Betrüger stecken, existieren ja nicht, und je länger man ihnen Zeit gibt, den Verstand zu vernebeln, desto erfolgreicher sind sie.

Vor allem aber hilft es, wenn man versucht, eine Erklärung für das Verhalten des Gegenübers zu finden, die eben nichts mit einem selbst zu tun hat. Auf Betrüger hereinzufallen, kann passieren, weil perfide psychologische Manipulationsstrategien zum Einsatz kommen. Jemand der den anderen ghostet, ghostet vermutlich, weil er/sie vorab gelogen hat, zu überschwänglich war und sich nun schämt.

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