Schnarchen, Wälzen, Bettdecke klauen: Das klingt furchtbar unromantisch, ist aber in vielen Schlafzimmern Realität. Sobald einem das nächtliche Treiben des Partners allerdings den Schlaf raubt, leidet nicht nur die Stimmung am Tage, sondern langfristig auch die Beziehung. Es könnte Zeit für getrennte Betten sein. Doch was sagen eigentlich Experten zum Auszug aus dem Schlafzimmer?
Paartherapeutin Jennifer Angersbach rät, die Entscheidung behutsam zu thematisieren – und einen gemeinsamen Kaffee im Bett.
Hatten sich schon Paare an dich gewendet, die Stress haben, weil sie nicht in einem Bett schlafen können?
Die getrennten Betten waren nicht der Grund für die Anfrage, aber in der Tat war es für ihn ein Problem, dass seine Frau nun aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen ist. Tatsächlich neigen Frauen* dazu, nachts geräuschempfindlicher zu sein und wachsamer, wenn jemand neben ihnen liegt.
*Mittlerweile gibt es allerdings auch Studien, die belegen, dass Männer, sofern sie von Beginn an in der Verantwortung beim Nachwuchs sind, ebenfalls deutlich sensibler auf Geräusche reagieren, daher ist es vermutlich kein evolutionspsychologischer Unterschied der Geschlechter, sondern eher ein Unterschied der Rollen.
Geht es dabei ums Schnarchen und Herumwälzen oder auch um Probleme mit Nähe?
Sowohl als auch. Die Hauptgründe für getrennte Betten sind: Schnarchen, Zähneknirschen, Herumwälzen, Schichtarbeit und Kinder, die nachts versorgt werden müssen. All das mindert die Schlafqualität. Die Tiefschlafphasen werden durch die Unterbrechungen verkürzt. Schlafmangel hat massive Auswirkungen auf unseren Organismus.
Abgesehen von den physischen Symptomen, wirkt sich schlechter Schlaf negativ auf unsere Empathiefähigkeit aus. Wir können uns nicht mehr gut in andere hineinversetzen. Außerdem reagieren wir schneller gereizt und Schlafmangel sorgt für einen zu hohen Cortisolwert - wir sind deutlich gestresster.
Der zweite Aspekt „Problem mit Nähe“ kann ebenfalls Grund für den Wunsch nach getrennten Betten sein. Hier allerdings hat es eher etwas mit der Beziehungsqualität zu tun: Gerade in Krisen oder bei latenter Unzufriedenheit gehen wir (meist unbewusst) auf emotionale Distanz. „Wenn er/sie mir nicht mehr so viel bedeutet, kann er/sie mich nicht mehr so sehr verletzen!“ Ist diese Distanz nun da, wird Nähe unerträglich – manchmal ohne dass man explizit benennen kann warum. Klar ist nur: „Ich möchte getrennte Betten.“
Besonders problematisch könnte es werden, wenn ein/e Partner/in getrennte Betten möchte, der/die andere nicht. Was kann man da tun?
Der Wunsch getrennt zu schlafen, sollte behutsam und ohne Vorwurf geäußert werden. Das gelingt, indem man mit Ich-Botschaften formuliert und auch verdeutlicht: „Es ist eine Entscheidung für mich und nicht gegen dich.“ Zumindest, sofern es sich bei dem Auslöser in der Tat um oben aufgelistete Gewohnheiten handelt, die den Schlaf beeinträchtigen. Hier kann auch zunächst versucht werden, mit Hilfe von Nasenclips oder etwa einer Beißschiene das Schnarchen und Knirschen in den Griff zu bekommen.
Merkt man jedoch selbst, dass sich diese Gründe irgendwie „vorgeschoben“ anfühlen, ist das ein guter Zeitpunkt, die Beziehung mal ganz bewusst zu reflektieren und miteinander ins Gespräch zu kommen.
Und mal ganz grundsätzlich: Ist das getrennt schlafen eine gute Lösung, wenn beide damit klarkommen – oder kann es zu Problemen führen?
Das kommt auf die Perspektive an. Wenn beide besser in eigenen Betten schlafen, ohne das Intimität und Nähe darunter leiden, spricht absolut nichts dagegen. Im Gegenteil: Es unterstreicht die Stabilität der Partnerschaft, dass beide auch ohne gemeinsame Nächte dennoch die Zweisamkeit pflegen.
Allerdings finden abends im Bett, wenn beide zur Ruhe gekommen sind, oft noch Gespräche statt – sofern das Smartphone nicht stört. Die körperliche Nähe setzt das „Bindungshormon“ Oxytocin frei: Oxytocin ist eines der Glückshormone, es sorgt für Entspannung, steigert die Lust, wirkt deeskalierend und stärkt die Bindung. Es lohnt sich daher, genau zu prüfen, ob es noch andere Alternativen zu getrennten Betten gibt: Ein größeres Bett, getrennte Decken, zwei Matratzen. Oder wenn schon getrennt, dann wenigstens morgens gemeinsamer Kaffee im Bett.
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