Landesmuseum trauert um Otto Piene
Lichtkünstler gestorben
Erst am Mittwochabend hatte Otto Piene zwei große Ausstellungen mit seinen Werken in Berlin eröffnet. Am Donnerstagnachmittag stand der 86-Jährige sogar noch auf dem Dach der Neuen Nationalgalerie, wo er heute seine berühmten Himmelsskulpturen aufsteigen lassen wollte. Mitten in den Vorbereitungen erlitt er einen Herzinfarkt. Auf dem Weg ins Krankenhaus starb er.
Geboren wurde er am 28. April 1928 in Bad Laasphe, wuchs im ostwestfälischen Lübbecke auf, wurde geprägt durch den Zweiten Weltkrieg, den er als jugendlicher Flakhelfer erlebte. Zusammen mit Heinz Mack gründete Piene 1957 die Künstlergruppe ZERO. Die Gruppe forderte nach dem Krieg einen radikalen künstlerischen Neuanfang. Statt mit Farbe und Pinsel experimentierte sie mit neuen Materialien und mit den elementaren Kräften der Natur: Licht, Bewegung, Wind, Feuer, Luft, Energie. Bis 1964 arbeitete Piene als Dozent an der Modeschule Düsseldorf, dann zog es ihn nach Amerika. An der Hochschule für technologische Forschung und Lehre, dem Massachusetts Institute of Technology in Boston, übernahm Piene 1974 das Center for Advanced Visual Studies. 20 Jahre leitete er das Medienlabor für künstlerisch-optische Experimente. Seine Verbindung von Kunst, Natur, Wissenschaft und Technik ist bis heute richtungsweisend.
„Piene hat immer versucht, Grenzen aufzulösen – sowohl in der Kunst als auch geografisch“, sagte Tijs Visser, Leiter der ZERO Foundation in Düsseldorf. Berühmt ist der mehrfache documenta-Teilnehmer Piene auch durch den riesigen Plastikregenbogen, den er bei den Olympischen Spielen in München 1972 in den Himmel steigen ließ. „Es geht mir um die Übertragung von Energie“, sagte er einmal. In einer Zeit, in der alles kaputt war, habe er etwas schaffen wollen, „was als Ausdruck der Seele oder der geistigen Verständigung unter Menschen taugt“. Hermann Arnhold, der Direktor des LWL-Museums für Kunst und Kultur in Münster, war bei der Eröffnung der Piene-Ausstellungen in Berlin dabei. „Es war ein Schock, als ich, gerade erst nach Münster zurückgekehrt, von seinem Tod erfuhr“, sagt Arnhold. Piene habe bei der Eröffnung zwar im Rollstuhl gesessen, doch er sei so hellwach gewesen, so geistesgegenwärtig. „Man merkte ihm die große Freude und den Stolz an. Piene wurde in Berlin gefeiert.“
Für Arnhold hatte Piene eine „große Präsenz“. Seit fünf Jahren war er im ständigen Kontakt mit ihm, um die Neugestaltung der Lichtskulptur „Silberne Frequenz“ aus dem Jahr 1972 zu besprechen. „Es ging nicht nur um eine Restaurierung, sondern um eine Weiterentwicklung, ein Schritt in die LED-Technik“, so Arnhold. Erst seit wenigen Wochen hängt die neue Version an der Fassade des Neubaus. „Ich habe ihm Fotos der Skulptur per Mail nach Boston geschickt“, erzählt Arnhold. „Er hat sich sehr gefreut und gesagt, dass ihm die neu gestaltete Arbeit noch besser gefalle als die von 1972.“ Im August wollte Piene nach Münster kommen und den Feinschliff einstellen, Stärke und Rhythmik des Lichts bestimmen. Er war auch fest eingeplant bei der Neueröffnung des Museums am 20. September. „Er wäre einer der Ehrengäste gewesen“, sagte Arnhold. „Er hatte sich schon so darauf gefreut.“
Im neuen Haus wird es einen Raum allein für Pienes Lichtkunstwerke geben. Für das kommende Jahr war darüber hinaus eine Piene-Ausstellung geplant – mit aktuellen Arbeiten. Ob es die Schau nun geben wird, konnte Arnhold gestern noch nicht sagen. „Wir sind so kalt von dieser schrecklichen Nachricht erwischt worden. Wir werden das alles mit seiner Frau besprechen.“ Mit Piene, sagt Arnhold, sei nicht nur eine der großen Lichtgestalten der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts gestorben mit einer beeindruckenden Künstlerkarriere von über 70 Jahren, sondern auch eine außergewöhnliche Persönlichkeit, ein besonderer Mensch, ein feiner Mann.