Willkommensgeste: die Installation „Zu Tisch!“ der Österreicherin Lena Knilli, einer Maria-Lassnig-Schülerin.

© Daniel Penschuck

„Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ - Wenn Künstler aufrüttelnd Partei ergreifen

rnAusstellungen 2022

Die Ausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ in der Kunsthalle der Festspiel-Stadt ist ein flammender Appell gegen Diskriminierung, Fremdenhass und menschenverachtenden Rassismus.

Recklinghausen

, 11.02.2022, 16:40 Uhr / Lesedauer: 2 min

Ein Künstler als bettelnder Bittsteller? So verarmt und vergessen stellt sich in Zeiten der Corona-Pandemie der bei seinen Großeltern in Italien aufgewachsene Schweizer Maler Luigi Ciasullo auf seinem Großformat „The Importance of Having Honest Eyes“ (Die Bedeutung ehrlicher Augen) dar. Als geduckte Randfigur in Schwarz-weiß. Gesichtslos verschwommen eilt im Bildzentrum eine in Glück und Wohlstand schwelgende farbige Menge vorbei.

Das Gemälde ist in der Wanderausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ erst jetzt in der Kunsthalle Recklinghausen zu sehen. Der neunten Station seit ihrem Start 2018. In die Stadt der Ruhrfestspiele geholt hat sie die Evangelische Altstadt-Gemeinde mit der örtlichen Diakonie.

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Partei zu ergreifen gegen jede Form der Ausgrenzung, zählt für die Pfarrer Sabine Palluch und Eugen Soika zum christlichen Auftrag. Das Elend der Flüchtlinge, die nicht jedem willkommen sind, Diskriminierung durch Armut oder körperliche Behinderung aber auch blinder Rassismus – das sind die großen Themen dieser sehenswerten Schau. Facettenreich hat Andreas Pitz, Kunstliebhaber aus Mainz, eine Fülle von Arbeiten auf hohem Niveau ausgewählt. Nicht nur Luigi Ciasullo beweist, wie aufrüttelnd und sensibel Künstler Partei für jene ergreifen, denen sie eine Stimme geben.

Ikonen der Kunstgeschichte, Klimts „Kuss“, den „Tanz“ von Matisse und Goyas „Erschießung der Aufständischen“, blendet der Syrer aufreizend in die Trümmer seiner vom Assad-Regime zerbombten Heimat ein. Als Tonbüsten auf Augenhöhe präsentiert der Berliner Harald Birck Tonbüsten Obdachloser wie Regenten.

Eine Nofretete von heute

Welch absurde Blüten der Kulturbruch zwischen Westen und arabischer Welt treibt, führt die Münchnerin Adidal Abou-Chamat mit der Fotoserie einer tief verschleierten Tänzerin, die im arabischen Gewand mühelos Abläufe westlicher Ballettkunst durchexerziert. Erschütternd wirkt ihre Serie von Menschen mit aufgespreizten Latexlippen. Eine überdeutliche Mahnung vor pseudowissenschaftlichem Rassimus der Nazis und ihrer fremdenfeindlichen rechtspopulistischen Nachfahren. „Zu Tisch“ nennt die aus Österreich stammende Künstlerin Lena Knilli ihre durch Flüchtlinge inspirierte Tafel-Installation – eine Willkommensgeste. Und dazu passt daneben Birgit Helmys der „schönsten Frau Berlins“ nachempfundene „Asyl“-Statue – eine Nofretete von heute.

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Kunsthalle Recklinghausen: „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“, Große-Pferdekamp-Str. 25-27, Eröffnung So, 10 Uhr, Christuskirche, bis 3.4.2022, Di-So 11-18 Uhr, Katalog gegen Spende. Begleitprogramm: www.altstadtgemeinde-re.de