Kunst im Keller: 50 Jahre Mainzer Unterhaus

Aus der Rote-Socken-Katakombe ist eine der ersten Adressen für Kabarett und Kleinkunst geworden. Im Mainzer Unterhaus haben Konstantin Wecker oder Reinhard Mey frühe Erfolge gefeiert. Die besondere Atmosphäre zieht jährlich Zehntausende an.

Mainz (dpa)

von Von Peter Zschunke, dpa

, 29.01.2016, 09:30 Uhr / Lesedauer: 3 min

Unterhaus-Geschäftsführer Ewald Dietrich. Foto: Fredrik von Erichsen

Unterhaus-Geschäftsführer Ewald Dietrich. Foto: Fredrik von Erichsen

Dieses Kellergewölbe hat Theatergeschichte geschrieben: Seit einem halben Jahrhundert ist das Mainzer Unterhaus Talentschmiede für Kabarett und Kleinkunst.

«Davon gibt es nur etwa eine Handvoll in Deutschland», sagt Unterhaus-Geschäftsführer Ewald Dietrich - zu nennen wären da etwa auch das Kom(m)ödchen in Düsseldorf, die Münchner Lach- und Schießgesellschaft, das Renitenztheater Stuttgart und das Senftöpfchen in Köln.

Der 50. Geburtstag wird am Wochenende in Mainz groß gefeiert, an zwei Abenden, unter anderem mit Frank-Markus Barwasser, Urban Priol und Max Uthoff. Und mit einem Zeitzeugen der Unterhaus-Geschichte: Herbert Bonewitz gelang vor 40 Jahren der Spagat zwischen der Mainzer Fastnacht und dem politischen Kabarett, mit einem Sprung aus der Bütt auf die Unterhaus-Bühne.

«Damals haben alle gemeckert: 'In den Kommunistenkeller, da geht man doch nicht hin'», erinnert sich Bonewitz. Linke Liedermacher wie Hannes Wader oder Franz Josef Degenhardt hatten dem Unterhaus einen Ruf als Rote-Socken-Katakombe eingebracht. Bonewitz öffnete das Theater für ein breites bürgerliches Publikum: Als Karnevalist sei er unverdächtig gewesen - «da kann man ja kein Linker sein», erinnert er sich schmunzelnd.

Das finanziell klamme Unterhaus freute sich damals über ausverkaufte Abende. Und mit dem Ende des Kalten Kriegs änderte sich auch der Blick auf kritische Künstler. «Das Unterhaus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und aus Mainz nicht mehr wegzudenken», sagt Dietrich. Er freut sich, den Zuschauerschnitt von jährlich 50 000 halten zu können.

«Schließlich werden Sie heute überall unterhalten und berieselt und bespielt, da ist es immer eine Herausforderung, ein attraktives Programm für ein Publikum mit vielen unterschiedlichen Interessen zu gestalten», sagt der Unterhaus-Geschäftsführer.

Allein mit politischem Kabarett ließe sich das Unterhaus kaum auf Dauer betreiben, sagt Dietrich. So haben auch anspruchsvolle Comedians, Liedermacher, Poetry Slammer, Puppenspieler oder Theatergruppen von Schulen ihren festen Platz im Unterhaus, für die Auswahl ist Programmplanerin Ute Nebel verantwortlich. Dabei kommen auch Künstler zum Zuge, die für einen Teil des Publikums eine Herausforderung sind, den einen und die andere auch in vertrauten Vorstellungen stören.

So wie am 31. Januar 1966 bei der ersten Vorstellung der «Poli(t)zisten» und dem offenen Bekenntnis: «Hier stehen wir, Spott helfe uns!» In der Anfangszeit sei das Chaos als motivierendes Element fest eingeplant gewesen, erinnerte sich Carl Friedrich - genannt Ce-eff - Krüger in der Festschrift zu 25 Jahren Unterhaus. Der ZDF-Mitarbeiter hatte die Idee, «selber Kabarett zu machen, ohne Auflagen und Zwänge von außen».

Nach fünf Jahren war ein Neuanfang nötig, in den Kellerräumen, in denen das Unterhaus auch heute zu Hause ist. 1972 startete das Unterhaus-Trio mit Krüger, Renate Fritz-Schillo und Artur Bergk den Deutschen Kleinkunstpreis - verliehen wird er auch in diesem Jahr wieder am Sonntag nach Aschermittwoch. Mainz wurde zu einer bundesweit bekannten Adresse für Kleinkunst - mit Namen wie Hanns Dieter Hüsch, Jürgen von Manger, Konstantin Wecker, Schnuckenack Reinhardt oder Reinhard Mey.

Dietrich kümmert sich seit 2004 ums Unterhaus. Er kam von IBM mit dem Auftrag, das mal wieder heftig verschuldete Theater zu retten. Der Befreiungsschlag gelang drei Jahre danach, als das Unterhaus für einen symbolischen Euro an einen Trägerverein städtischer Honoratioren mit zwölf Mitgliedern verkauft wurde. «Das Unterhaus muss der Öffentlichkeit gehören», sagt der Geschäftsführer auch mit Blick auf die inzwischen stabile Finanzlage des Theaters.

Der große Wunsch vieler Gäste in den Sommermonaten nach einer Klimaanlage lässt sich wohl nicht erfüllen. Aber vor zwei Jahren konnte immerhin die Belüftung erneuert werden, so dass jetzt dreimal so viel frischer Sauerstoff in den Keller geblasen wird wie vorher. «Ein bisschen archaisch ist es bei uns», sagt Dietrich und lässt den Blick durch das langgestreckte Gewölbe gleiten. «Kein WLAN, kein Netz, aber so kommt man auch zur Ruhe.»

Und er ergänzt: «Wir haben eine Verantwortung, dieses Theater für die nächsten Generationen zu erhalten.» Der Mietvertrag wurde schon mal um 25 Jahre verlängert - «das ist ein schönes Geschenk, so sind auf jeden Fall drei Viertel des ersten Unterhaus-Jahrhunderts gesichert.»

Mainzer Unterhaus